Mein dunkler Engel,

Es ist lange her.
Ich habe die Briefe nicht gelöscht, ich kann nicht. Was die Zukunft bringt, wird sich zeigen. Aber als ein Mensch, der Entscheidungen immer schnell und absolut trifft, kann ich auch leise Zweifel nicht ignorieren.

Im August war es drei Jahre her, dass diese Reise begann.
Wir begaben uns auf die Suche nach einer Diagnose, die die deine werden sollte, um beide besser mit etwas umgehen zu können, das keiner von uns greifen konnte.
Ein Verdacht stand im Raum, dem wir in unserer Unwissenheit alles untergeordnet haben. Wir sollten irren. So allumfassend. Letztes Jahr bekam dieser Verdacht erste Risse, Anfang diesen Jahres brach er fast vollständig auseinander. 
Und seitdem stehen wir hier, ratlos inmitten von Scherben. 
Wir bluten an allem, was wir aufsammeln. 

Ich bemühe mich, diese Dinge vorsichtig zu formulieren, liegt es mir doch fern, zuviel preiszugeben, zu weit in deine Privatsphäre zu dringen. Aber ich muss genau wie du auf deinem Blog dem Drang in mir Rechnung tragen, mein eigenes Trauma aufarbeiten zu dürfen. Gerade jetzt, wo sich vorsichtige Worte zu formen beginnen, die mir helfen, all das in Text gießen zu können, was in mir so viel Sprachlosigkeit hervorruft. 

Wir sind fragil. Blut- und tränenüberströmt haben wir nicht viel mehr als unbändige Liebe und ein feuergeschmiedetes Band, das uns seit zwei Jahrzehnten auch in den dunkelsten Momenten immer wieder zueinander zieht. Ich habe vor Jahren geschrieben, dass wir inzwischen nackt voreinander stehen und in all seiner Rohheit hätte ich mir damals nicht vorstellen können, wieviel mehr wir uns noch von der Seele reißen mussten, um bis hierhin zu kommen.

Kannst du mich sehen? Frei von Verblendung, Wünschen, Vorstellungen oder Prägung? Erlaubst du mir, dich zu sehen?

Kati 24.09.2025, 09.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: Briefe

Go big or go home

Wenn wir es eh neu machen müssen, dann können wir es ja auch gleich richtig tun.

Kati 23.09.2025, 09.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: ein Ganzes

Anfang

Ich muss irgendwann anfangen.
Irgendwo.
Irgendwie. 

Gefühle verlieren ihre Macht, wenn es gelingt, sie in Worte zu gießen. Wenn man all den Schmerz zu formulieren imstande ist, frisst er einen nicht mehr auf. Zumindest nicht mehr vollständig. Ich habe mich lange Jahre gefragt, ob es möglich ist, von all dem hier zu heilen. Aber ich glaube, es ist die falsche Frage. Die Frage ist vielmehr, ob ich bereit bin, diese Erinnerung mit mir zu tragen. Ob ich bereit bin, den immerwährenden und nie wieder gutzumachenden Schmerz einer Entscheidung auszuhalten, die so viel mehr umfasst als den bloßen Entschluss, weitergehen zu wollen.
Den Blick in eine Seele ertragen zu müssen, die ebenso geschunden ist wie meine eigene, ungeschönt, ungefiltert, roh, ganz.
Mit all dem Leid, das sie verursacht hat in einem Spiel, das keinen Gewinner kennt.
Nur Verlierer.

Kati 22.09.2025, 09.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: ein Ganzes

Ausgelaugt

Morgens die Augen öffnen und das Gefühl haben, man kann nicht mehr. Keinen Zentimeter mehr gehen, nicht mehr aufstehen, nicht mehr atmen, nichts mehr. Es ist alles zu viel. DIe Träume und ihre Verarbeitung fressen einen Großteil meiner Energie, der Exmann verbringt inzwischen jede Nacht bei mir und die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart lösen sich immer weiter auf. Ich wiederhole meine Geschichte, habe ich das Gefühl, und dann wieder doch nicht. Ich versuche, nicht aus den Augen zu verlieren, was anders ist und doch verschwimmen die Unterschiede im alle überwältigendem Gefühl von Verrat, Verletzung und Mutlosigkeit. Formen sich zu einem hoffnungslosen Klumpen von egal und zuviel. Bin besessen von der einen Frage, auf die es anscheinend keine Antwort gibt und verliere mich in Kontrollwahn, Kontrollzwang, Paranoia und Zerdenken. Das Trauma aktiviert jeden Mechanismus, den ich je hatte und ich kämpfe sie alle nieder. Bin nicht willens, mich dem auch noch auszuliefern, noch hilfloser zu werden, noch handlungsunfähiger zu sein als ohnehin schon, während ich mich frage, was denn so schlimm daran wäre, einfach genau so ein Arschloch zu sein wie alle anderen Menschen.

Kati 08.08.2025, 10.45| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: Gedankenchaos

Erinnerungen

Ich verbringe meine Träume auf der Polizeiwache, auf der ich damals saß.
Die Erinnerung so vertraut. So ekelhaft an mir klebend.
Zitternd, frierend, von groben Polizisten umgeben. die verlangen, dass ich die Kleidung, die ich trage, in große Plastiksäcke stecke, wegen Spurensicherung, wie sie immer wiederholen. 
Ich trage keinen BH unter dem Pullover, die Jacke habe ich bereits widerstrebend ausgezogen, kein Wort des Trostes, immer nur dringlicher werdender Verweis auf die Spurensicherung, ich bereue bereits seit ich von ihnen zuhause abgeholt wurde und in den vergitterten Rückraum eines Polizeibusses gesperrt und hier hingebracht wurde, dass ich überhaupt angerufen habe und gefragt habe, was ich jetzt tun soll.
Sprung zum Tatgeschehen, aber diesmal bin nicht ich es, diesmal habe ich eine meiner Töchter an meiner Seite, die vor meinen Augen exakt das erlebt, was mir vor 26 Jahren angetan wurde und ich brülle ein lautes und vernehmliches Nein, aber es verhallt im Nichts.
Meine Stimme bricht, wie auch im Alltag so oft in den vergangenen Wochen, ich sehe in einen Spiegel und muss doch neu erleben, was ich eigentlich schon kenne.
Ich brülle einen neuen Versuch. Ich trete dazwischen, ich nutze meinen Körper als ihren Schild und blicke aus nächster Nähe auf den grobschlächtigen schwitzenden Mann mit dem irren Blick, der versucht, zu ihr zu gelangen. Ich schreie. Endlich mit ganzer Kraft.
Plötzlich sind wir in einer Kirche, eine ganze Gemeinde stimmt in mein rhythmisches Nein mit ein, bis wir einen Chor von Frauen bilden, der sich ihm entgegenstellt bis er ablässt.
Ich laufe.
Meine Tochter dich an mich gepresst, nun als Baby.
Dann wieder als junge Frau, von hinten nähert sich der nächste Mann, ich werfe mich ihm entgegen, schreie ihr zu, sie soll weiter laufen und halte ihn fest, klammere mich an ihn, bis die Programmierung in mir übernimmt und endlich das Monster freilässt, das ich einmal war und so lange geschworen habe, hinter Gittern zu halten.
Der Rest des Traumes versinkt in Blut, Innereien, Triumph und einem Lustgefühl, das kein Entsprechen kennt, so warm, so vertraut, so befriedigend.
Ich wache auf.

Kati 03.08.2025, 16.53| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: Gedankenchaos



Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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