Ausgewählter Beitrag

8 Wochen, 1 Tag

Acht Wochen und einen Tag nach positivem Test.
Ich habe meinen Geruchs- und Geschmackssinn immer noch nicht wieder. 
Ich kann den Mann nicht mehr riechen, die Kinder nicht, das Wetter und die Natur nicht, all meine Lieblingsgerüche nicht und ich finde mich in der Welt nur noch unzureichend zurecht. Es ist ein herber Verlust, den ich massiv betrauere. 
Ich habe jeden Zugang zu meiner Sexualität verloren. Meine Libido, die seit 20 Jahren mit diesem Mann ununterbrochen hochtourig läuft, ist einfach verschwunden und das ist ein nicht in Worte zu fassender Tiefschlag in unserem Leben. 
Ich bin schwach - in jeder Hinsicht. Ich brauche lange Erholungsphasen, ich denke immer noch langsamer als gewöhnlich, ich kann nicht mehr mehrere Dinge gleichzeitig tun, jede Handlung, jeder Gedanke, alles, was mir jemals mühelos zugänglich war, erfordert Anstrengung und resultiert in Erschöpfung, die umfassender ist als bloße Müdigkeit. 
Meine Defizite erfordern im Moment einen Großteil meiner Kraft, um Fähigkeiten auf ein normales Maß zu heben. 
Die Aggressivität ist noch immer laut in mir. 
Ich stelle eine gewisse Kompromisslosigkeit fest, die mir im Normalfall fremd ist. 
Ich mag mich oft selber nicht mehr. 
Meine Gehirnchemie hat sich massiv gewandelt und ich wechlse trotz krampfhaft diszipliniert eingehaltenen Tagesplänen so oft wie zuletzt Anfang bis Mitte 20. Es scheint kein Regulativ mehr zu geben, das es uns ermöglicht, dies irgendwie zu kontrollieren und das macht mir panische Angst. 
Mein ganzes Leben ist auf Prinzipien und Regularien aufgebaut, um genau diesen einen Punkt so berechenbar machen zu können, wie es irgendmöglich ist. Und wenn ich unkontrollierbar wechsle und sollten dabei tiefere Ebenen wieder freigelegt werden, hat nichts mehr Bestand, wofür ich seit Jahrzehnten arbeite.

 Ich bemühe mich, die Tage so zu nehmen wie sie kommen, aber in so viel emotionaler Unsicherheit wie ich sie momentan auch hier zuhause erfahre, fällt es schwer, so etwas wie Zuversicht oder Hoffnung zu schöpfen.

Kati 23.12.2024, 08.00

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Kommentare zu diesem Beitrag

3. von Jacky (xFeuerkind)

Ach Mensch :(
Es tut mir so schrecklich leid. Ich kenne diese Gefühle, und ich drück dir so sehr die Daumen dass sich bei dir mit viel Geduld und Pacing wieder Normalität einkehrt und du nicht meinen Weg einschlägst. Sollten die Symptome nächsten Monat nicht besser sein, bitte versuche so schnell wie möglich einen Termin in einer !ANSTÄNDIGEN! Post Covid Ambulanz zu erhalten. Die Wartelisten sind verdammt lang. Ich wünsch es dir nicht, ganz und gar nicht, aber besser jetzt schon anfangen zu kümmern für den Fall der Fälle :x Auf X findest du viele Infos dazu (auch wenn die #MECFS Community manchmal recht aggressiv rüber kommen kann), auf Fb gibts eine LongCov Deutschland Gruppe wo du auch viel Hilfe finden kannst. Ich sag es dir nur vorsichtshalber, möglich dass du das schon weißt, aber ich weiß wie man verzweifelt wenn man keine Infos hat. Also meld dich bitte wenn du reden magst, musst. Soweit ich kann werd ich versuchen Dir zu helfen

vom 23.12.2024, 15.10
2. von Jenny

Ich fühle Deine Worte sehr, wenn auch durch gänzlich andere Geschehnisse.

Ich wünsche Dir sehr, dass Du findest, was Du brauchst, dass Du Linderung und Besserung erfährst und dass ihr und Du Wege für Dich und euch findet.

Und dass Fühlen (von Dir, bzw anderen Gefühlen als Aggression, Wut und Trauer), Spüren, Lust und Sexualität und Du zurückkommen und wiedergefunden werden.

(die Formulierung scheint ungewöhnlich, ich weiß nicht, ob es an dem liegt, was mir fehlt oder ich gerade nur schräg denke)

???, wenn Du magst, auch wenn es Dir leider genauso wenig hilft.

vom 23.12.2024, 14.54
1. von Anja (Frau Hope)

Liebe Kati,
ich fühle es so sehr und leider kann ich Dir diese Angst nicht nehmen, die habe ich auch. Aber vielleicht kann ich Dir etwas Zuversicht geben, wenn ich Dir erzähle, es hat 3 Monate + gedauert, bis ich die Kontrolle (nach Covid) wieder hatte.

Ich wünsche Dir sehr, dass Du wieder riechen und schmecken kannst und Dein Körper sich vollständig erholt. Und wenn der Körper sich erholt, dann darf auch Deine Psyche wieder vertrauen, Dir selber, Deinen Körper. Bis dahin gilt leider dieses aushalten und Geduld haben (was ich gar nicht mag u. Du vermutlich auch nicht).

Liebe Kati, ich wünsche Dir die Kraft weiterhin geduldig zu sein und die Stärke, um Deine Schwäche tragen zu können. Und wenn ich Dich ein wenig mit meinen Gedanken erreichen konnte, Du nun nicht augenrollend denkst, was weiß die schon, dann melde Dich gerne, wann immer Dir danach ist.

LG
Anja

vom 23.12.2024, 14.50


Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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