Ausgewählter Beitrag

Der Köter

Ich habe gestern eine kurze Nachricht bekommen, in der meine Art des Trauerns thematisiert wurde. Hängen geblieben ist ein Satz, nachdem es darum ging, dass ich zugunsten der Funktionalität die emotionale Härte gegen mich selbst wähle:
„Er hat dich gut abgerichtet“.

Unabhängig von der psychologisch destruktiven Botschaft und vom Retraumatisierungspotential dieser Worte sind sie nicht nur verletzend, sondern vor allem auch wahr.

Natürlich hat er mich abgerichtet. Wie einen Hund. Ich kann Kommandos. Ich kann springen. Ich kann dienen. Ich habe Programmierungen, die auch 40 Jahre später noch kicken, wenn die richtigen Knöpfe gedrückt werden. Natürlich. Ich bin der sabbernde Köter, mein Vater war Pawlow.

Also was genau erwartet man von jemandem, der durch diese Hölle gegangen ist?

Normal zu sein?

Ich habe mir unter Einsatz all meiner Fähigkeiten ein Leben aufgebaut, das so normal, stabil und sicher verläuft, wie ein Leben es nur sein kann. Ich habe professionelle Begleitung, Supervision und Therapie gewählt, um meine Programmierungen zu erkennen, zu verstehen und abzuschwächen. Ich werde niemals eins sein. Ich werde immer auf Strategien angewiesen sein, um mich in der Verletzlichkeit zu halten und um ehrlich zu sein: Das kostet mich den Großteil meiner Energie. Hass nährt sich selber. Liebe ist für mich eine Entscheidung. Harte Arbeit, genau das zuzulassen, was mir abtrainiert wurde: Mitgefühl.

Ich muss mich aktiv dafür entscheiden.
Jeden Morgen. Jeden Tag. Bis ans Ende meines Lebens.

Kati 18.08.2022, 08.30

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Kommentare zu diesem Beitrag

5. von geschichtenundmeer

Ich denke manchmal, dass ich normale Verhaltensweisen immer erst durchdenken, lernen und abspeichern muss. (Die Pawlowschen Reflexe sind geblieben, auch wenn mein Vater schon lange tot ist.)

vom 20.08.2022, 17.35
4. von Karin Biener

Die Entscheidung ehrt Dich. Jeden Morgen. Meine Erfahrung: Es wird leichter. Auch jeden Tag.

vom 19.08.2022, 21.21
3. von Kate

Nach dem Tod wird man freier. Man hat zwar tatsächlich keine Chance mehr, Fragen beantwortet zu bekommen, das Thema irgendwie gemeinsam aufzuarbeiten und das tut weh, frustriert und macht sehr ärgerlich. Aber nach einigen Jahren fühlt man sich tatsächlich befreiter. Es sind jetzt zehn Jahre und ich bin mein eigener Mensch. Ja, mit all dem Ballast. Aber es ist kein neuer dazu gekommen. Ich träume kaum noch. Ich habe nicht alles aufgearbeitet, aber einiges ruht einfach und wird auch nicht mehr ausgepackt. Ich habe nicht viel verziehen, vergesse aber langsam auch einzelne Situationen. MEIN Leben. Ich hoffe, und bin sicher, dahin kommen Sie auch auch.

vom 18.08.2022, 10.20
2. von ID1908

Sende Dir viel Energie, damit Du das schaffst.

vom 18.08.2022, 09.02
1. von abraxa

Und du machst das gut (wie es von außen aussieht) Stabilität ist wichtig für dich. Deine Zeit der Aufarbeitung wird kommen. Muss kommen. Aber in einem Tempo, dass zu dir, zu euch passt. Du alleine weißt, was du dir zumuten kannst, damit der geringst mögliche Schaden für dich und deine Lieben am Ende dabei heraus kommt.

vom 18.08.2022, 08.59
Antwort von Kati:

<3


Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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