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Die Entdeckung der Langsamkeit

Die Zeit hat sich verändert, seit Uroma tot ist.

Sie vergeht nur noch langsam und sie scheint keine Eile mehr zu kennen.

Ich stehe morgens auf und muss mich nicht wappnen gegen das, was ich gleich hören, sehen und riechen werde.
Ich stehe dort, am Fuße der Treppe und lausche in die Stille.

Was kann ich tun?

Was will ich tun?

Eine Frage, die ich mir schon lange nicht mehr gestellt habe.

Was muss ich tun?

Die Frage ist schon vertrauter.

Die Uhr, die seit einigen Tagen wieder an ihrem angestammten Platz hängt, tickt.
Langsam.

Kinder toben an mir vorbei.

"Wir machen uns selber Frühstück!", kreischen sie.
"Mit viel Nutella!!", kräht das kleinste Kind.

Ich spüre, wie das "Pscht, Uroma schläft noch." meinen Hals hinaufkriecht.
Und spüre, wie das schlechte Gewissen hochploppt wie ein Springkastenteufel.
Wie jeden Tag der letzten fünf Monate.

Nichts von beidem hat noch Relevanz.
Uroma schläft für immer und die Kinder können so laut sein wie sie wollen.

Meine Schultern senken sich wieder und ich atme aus.
Die Uhr tickt.

Was muss ich jetzt tun?

Toilettenstuhl, waschen, Windelhose wechseln, saubermachen, umlagern, Essen vorbereiten, pürieren, kochen, dreimal in die Küche zurückbringen, weil es nicht das Richtige ist, von A nach B hetzen, dazwischen noch Termine für 8 weitere Familienmitglieder koordinieren, umlagern, Tabletten vorbereiten, füttern, Trinken anreichen, saubermachen, Bettwäsche wechseln, Kinder ermahnen, umlagern, saubermachen, alles desinfizieren, saugen, putzen, Wäscheberge waschen, putzen, umlagern, Essen machen, sich anmeckern lassen, sich hilflos fühlen, wütend werden, Wut runterschucken, die Ungeduld spüren, umlagern, saubermachen, putzen, Essen machen, saubermachen, aufräumen, saubermachen, Essen machen, saubermachen, umlagern, weinen, warten, dass der Mann abends nach Hause kommt, zusammenklappen, weinen, ins Bett fallen, zu wenig schlafen und fünf Stunden später das Ganze von Vorne.

Ich atme wieder ein.

Was muss ich jetzt tun?

Nichts.

Ich lächle.

Kati 09.08.2017, 12.00

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von Tanja

Mein aufrichtiges Beileid!

Gib auf Dich acht und nutze alle Möglichkeiten, die Du hast um aufzutanken und zur Ruhe zu kommen. Das ist das Einzige, was Du tun musst.

vom 09.08.2017, 20.21
Antwort von Kati:

Danke!
1. von Hanna

Du hast alles so schön und nachvollziehbar geschildert und nun ist auf einmal wieder alles anders! Gönnen wir der Uroma die Erlösung,die sie sich gewünscht hat.Dir mein aufrichtiges Beileid,du kannst nun wieder durchatmen und dich den andere Familienmitgliedern widmen! Ich wünsche dir eine gute Zeit!

vom 09.08.2017, 14.16
Antwort von Kati:

Danke!


Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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