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Die Schießbude.

Wir waren noch nicht sehr lange zusammen, da bummelten der große hübsche Mann und ich über eine Festwiese.
Fahrgeschäfte, Imbissstände, Spielbuden wohin man sah.
Und ich betete und hoffte inständig, dass der Status unserer Beziehung, der noch zu einem großen Teil aus Werben und Beeindrucken bestand, trotzdem nicht dazu führen würde, auch in dieser Beziehung den Supergau erleben zu müssen:

Die Schießbude.

Wir schlenderten also so umher und kamen an einigen Schießbuden vorbei und nach jeder konnte ich etwas weiter aufatmen. Gottseidank...
Mit Grausen erinnerte ich mich an die Male, die ich im strömenden Regen neben irgendeinem wütenden Mann stand, der verzweifelt versuchte, ein Schaf, einen Stern oder sonstwas abzuschießen.
Das eine Mal, das ich noch Geld leihen musste, um weitere Schüsse zu finanzieren, damit ich auch das bekomme, was ich mir ausgesucht hatte.Es hat nie geklappt.

"Die ist total verzogen." "Die schießt nicht richtig" "Was ist denn das für ein billiges Ding" - ich kenne alle Ausreden, denn ich habe sie alle schon gehört.
Dabei bin ich nie sonderlich scharf drauf gewesen, an so einem Stand zu stehen.
Aber es scheint ein Männergen zu geben, dass Männer beim Anblick von Waffen, Plüschtieren und weiblicher Begleitung dazu animiert, auf kleine Plaketten schießen zu wollen.
"Such dir was aus, ich schieß es dir!" ist definitiv mein meistgehasster Satz in einer Beziehung.

Einmal sind wir als vier Pärchen auf einen Rummel gegangen und mein Freund war der Einzige, der exakt nichts getroffen hatte.
Er bekam dann eine dieser zerfledderten Plastikrosen, die er mir auch noch überreichen wollte.
Ich zog eine Augenbraue hoch und er ließ sie in den nächsten Mülleimer fallen. Die Beziehung dauerte nicht mehr allzulange.
Im Grunde hätte es vielleicht ein Omen sein können, dass der Soldat an meiner Seite, der mit markigen Sprüchen gegenüber Schießbudenbesitzer und mir, dass er schon ganz andere Dinge erschossen hätte, keine einzige Plakette traf.
400 nachgekaufte Schüsse später war mir kalt, meine Laune im Keller und ich nahm das erste Mal in meinem Leben mit einem gequälten Lächeln 27 Plastikrosen, die ich zuhause entsorgte und sagte: "Das war ziemlich beeindruckend, Hase."

Ich hätt den Mann vielleicht nicht auch noch heiraten sollen.
Übrigens war die Waffe schuld. Natürlich.

Der Mann davor war ein sehr bekannter Kickboxer, der so ziemlich alles und jeden traf und bei dem ich mir relativ sicher war, dass er auch den rosa Plüschelefanten bekommen würde, den ich mir aussuchen sollte.
Er hatte mehrere Tage danach Erektionsprobleme und auch als ich irgendwann mit ihm Schluss machte, steckten die Plastikrosen vom Desaster noch hinter dem einen Bild, wo er sie nach meiner Ablehnung untergebracht hatte.
Ich war 18 und es war eine völlig neue Erfahrung, einen Mann wegen einer Plastikrose weinen zu sehen.
Ohne dass ich es wollte, hatten sich Schießbuden für mich zu einer Art Beziehungsindikator entwickelt.
Ablehnen führte meistens zu einem handfesten Streit, weil die Männer da irgendwie borniert sind oder zu dem noch fordernderem Drängen, mir doch bitte irgendein großes Plüschtier auszusuchen.

Also akzeptierte ich diesen seltsamen Teil meines Lebens, ohne ihn zu befürworten.
Kurzum: ich hatte ein Trauma.

Beim großen hübschen Mann war es mir wichtig, dass es gar nicht so weit kommen würde.
Und so hatten wir das Ende des Rummels auch schon erreicht und ich dankte Gott, dem Himmel, allem, was ich so hatte, dass dieser Kelch an mir - uns - vorüberging.
Überlegte, ob ich noch einen kandierten Apfel mit auf den Heimweg nehme und wartete auf den allerletzten Stand, der meines Wissens nach ein Süßwarenstand war.

War er nicht.
Es war eine Schießbude.

"Süße?"
Ich überlegte, eine Ohnmacht, einen Wadenkrampf oder etwas anderes Lebensbedrohliches vorzutäuschen, antwortete mit einem vorsichtigen: "Hm?"
Er beugte sich zu meinem Ohr und flüsterte:
"Such dir mal was aus, ich schieß es dir."

Ich rang mit mir selbst und der Teufel gewann.
Alles oder nichts.

Ich verdrehte also innerlich die Augen und warf einen Blick auf die Hauptgewinne. Der größte war ein riesiges unglaublich hässliches Opossum-Plüschtier aus IceAge2. Das Vieh war über einen Meter lang und das Grässlichste, das ich jemals gesehen hatte.
"Den da bitte.", fügte ich mich in mein Schicksal lehnte mich an einen Pfosten.
"Wieviel Schuss möchten Sie haben?", fragte der Verkäufer den Mann und ich warf ein sehr spöttisches 'Na, ein Schuss wird ja wohl reichen...' zwischen die Männer.

Der Mann zog die Augenbraue hoch und sagte: "Ein Schuss wird reichen, meint die Lady."

Ich überlegte derweil, wie man möglichst echt einen Schwächeanfall simuliert, um ihm die Blamage zu ersparen.
Man musste ja auch nur so ein hüpfendes kreiselndes Dingsda treffen, das ab und an auch noch verschwand.
Der Mann richtete sich zu seiner vollen Körpergröße von fast 2 Metern auf und spannte sich. Ich war beeindruckt ob dieses Anblickes, auch wenn ich noch drüber nachdachte, ihn anzurempeln, um die Schuld auf mich zu ziehen.

Aber ich fügte mich in mein Schicksal und schloss die Augen.
Es klickte und ich hielt die Augen krampfhaft geschlossen.
Nicht diese Beziehung auch noch.

Als ich mich entschieden hatte, die Plastikrose einfach anzunehmen und lieb zu lächeln, öffnete ich die Augen und blickte in eine riesige und unglaublich hässliche Opossumschnauze.
Blaue Augen blitzten mich an und das attraktive Männergesicht vor mir lächelte süffisant.

"Das ist ein ziemlich hässliches Ding, das du dir da ausgesucht hast...", grinste er, drückte es mir in den Arm und nahm meine Hand, um weiterzugehen.

Kati 07.04.2022, 12.00

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von Tanja

Vielen Dank für diese Geschichte mit HappyEnd. :-) Mich würde jetzt interessieren - gibt es das Opossum noch? :D

vom 07.04.2022, 13.44
1. von Heike Schröder

Eine wunderbare Geschichte mit Happy End. Ich bin froh für dich! LG HEIKE

vom 07.04.2022, 13.25


Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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