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Die Woche vor Weihnachten

Natürlich ist der Großteil der Geschenke bereits seit Wochen verpackt und natürlich habe ich bei insgesamt 8 Personen in den letzten Tagen vor Weihnachten trotzdem noch einiges einzupacken.

Die Kinder müssen die komplette Woche noch in die Schule gehen, also habe ich trotz Physiotherapie und Übungen und meinem Schneckentempo noch ausreichend Zeit, dachte ich.

Die letzte Woche vor Weihnachten beginnt dann spontan mit einem kranken Kind. Das Kind, dessen Lehrer gerade alle wegen Magen-Darm-Grippe zuhause sind. Ich bin also in erhöhter Alarmbereitschaft, gebe Schüssel und Tücher aus und reduziere das Nahrungsangebot. Sehr zum Leidwesen des Kindes, dem ja "nur ein bisschen schlecht und vielleicht muss ich mich übergeben" ist.
Haha.
Nein.
Da bin ich eher nicht so der risikofreudige Typ. Ich verbringe meinen Vormittag statt mit Geschenkpapier also mit Putztüchern und Desinfektionsmittel und hänge Kuschel-Verbotsschilder aus. Bei unseren Kindern der wichtigste Schritt, damit nicht 8 Leute gleichzeitig kotzen müssen. Die schmusen sich nämlich andauernd und für Bakterien und Viren ist das hier das reinste Eldorado.
Es stellt sich schnell als Fehlalarm heraus, das Kind ist wieder munter und kann am nächsten Tag zur Schule gehen.
Die Geschenke warten in ihren Verstecken auf mich. Immer noch.

Der Dienstag beginnt mit meiner Physiotherapie und einem langen Spaziergang und ich freue mich aufs Einpacken der letzten 10-20 Geschenke. Dann hab ich es geschafft. Ich werfe alles von mir, hole mir eine Buttermilch aus dem Kühlschrank und das Telefon klingelt. Die große Tochter ist dran und verkündet weinend, dass sie in der Freistunde nach Hause käme. 15 Minuten später ist sie da, und ich habe nach dem ersten Zuhören das starke Verlangen, ihre Arschkrampe von Freund mit einer Axt zu besuchen.
Der kleine Braunbär übernimmt den Seelentröster und als sie auf dem Sofa sitzt, das Kalb von einem Hund auf dem Schoß hat und Eiscreme löffelt, erfasse ich das ganze Ausmaß dessen, was da passiert ist.
Ich verbiete ihr, an diesem Tag noch einmal die Schule zu besuchen und wir reden erst zwei Stunden lang und spielen dann xBox-Spiele gegeneinander.
Für den Seelenfrieden.
Aber die Geschenke sind immer noch nicht verpackt.

Am nächsten Tag will sie sich eigentlich todesmutig dem Feind stellen, bekommt dann aber direkt vor der Haustür einen Panikanfall und ich beschließe, dass das kein guter Zeitpunkt oder Zustand ist, sich einer geliebten Person und dem Verrat in blond zu stellen.
"Ich kann doch nicht einfach schwänzen.", murrt sie schluchzend und ich sage schlicht: "Doch. Kannst du."
Ich schwänze an diesem Tag das Geschenke einpacken...

Inzwischen ist es Donnerstag, mit Unterstützung all ihrer Leute aus ihrer Clique legt das große Kind einen souveränen Auftritt in der Schule hin und ich bin verdammt stolz auf sie. Auf sie und ihre großartigen Freunde, die die letzten beiden Tage damit verbracht haben, einen riesigen Geschenke-Liebeskummer-Wirsindfürdichda-Korb zusammenzustellen.
Die jede Aktion des neuen Pärchens so kommentieren, dass es beim Erzählen sogar für ein paar Schmunzler bei der Tochter reicht.
Sie hatte die Größe, ihm ihr Weihnachtsgeschenk zu geben. Ganz ruhig und mit stolzen Worten zum Abschied. Ich bete dieses Kind einfach an.

Zurück zu den Geschenken.
Für den Donnerstagmorgen zerschlugen sich meine Hoffnungen recht schnell, denn die Schulen hatten abwechselnd keine Lehrer, einen Sporttag, Theateraufführung oder Unterrichtsausfall.
Das bedeutete, das erste Kind ging um 7 Uhr aus dem Haus, das letzte um 11 Uhr. Um 11:45 Uhr kamen die ersten Kinder dann wieder nach Hause.
Haha.
Der große Sohn war voller Panik, weil er weder seine Busfahrkarte noch seinen Schülerausweis fand und der Meinung war, er hätte sie verloren.
Die Kriegerprinzessin maulte den ganzen Tag herum, dass die Weihnachtsferien für sie gelaufen seien, wenn sie heute nicht ihr Lieblingspferd reiten dürfte, der kleine Sohn war ein Pulverfass, das mir hinterher eskalierte.
Es war nicht schön.

Also musste der Mann alle Kinder mit zum Reiten nehmen, damit ich eine Stunde am Nachmittag für die Geschenke hatte. Inzwischen war ich in genau der prämenstruellen Phase angekommen, an dem alle meine Gelenke und der Rücken wie blöd weh tun und ich bei jeder Bewegung Schwindelanfälle bekam. Ich packte in einer Stunde ca. 3 Geschenke ein.

Der Abend war auch nicht viel besser - erst war das Lieblingspferd heute an ein anderes Kind gegangen und man selbst hatte den ollen Klepper, der nur im Schneckentempo galoppiert, dann waren die Chaps kaputt und nach dem Abendessen hatte das große Zusatzkind einen Nervenzusammenbruch zum Thema Minderwertigkeitskomplexe.
Zwei Stunden seelische Aufbauarbeit später sind wir dann mit noch einer Folge "The last Ship" ins Bett gefallen und meine Rückenschmerzen erreichten ihren traurigen Höhepunkt.

Die Nacht verlief grauenhaft und heute habe ich noch genau zwei Stunden Zeit am Morgen - sofern kein Kind krank wird, früher nach Hause kommt oder sonstiges passiert - meine Geschenke einzupacken.
Mittags kommt wieder Besuch bis morgen, nachmittags feiern, dass wir Weihnachtsferien haben, dann geht der Mann mit Kindern in den neuen StarWars-Film, das Tochterkind mit Freundinnen in "Coco", der Hund müsste eigentlich noch zum Impfen, aber das kann ich auch auf nächste Woche schieben.

Morgen folgt um 7 Uhr morgens der Großeinkauf für die Weihnachtsfeiertage, ich habe immer noch keine Ahnung, was wir an allen Tagen essen sollen (bitte keine süßen Tiere auf dem Tisch, die mal Fell oder Federn hatten für die Kriegerprinzessin, bitte nicht so viel Gemüse für 4 von 6 Kindern, bitte nur Nudeln mit Ketchup für 1 von 6 Kindern, bitte möglichst festlich mit Ente und Hase und allem Zipp und Zapp für 2 von 6 Kindern, die Erwachsenen wollen einfach nur schlafen und vielleicht mal nen Döner holen...), mittags stehen die traditionellen Weihnachtsfotos der Kinder an und nach dem Mittagessen kommt der Vater des großen Tochterkindes mit ihrer Stiefmutter zu Besuch und feiern schon mal Vorweihnachten.

Zwischendurch kommen immer mal wieder Päckchen und Pakete von drei verschiedenen Verwandschaftskreisen, die 6 Kinder von insgesamt 4 Elternteilen nun mal haben. Das sorgt nicht gerade für geschwisterliche Eintracht, aber übt immerhin in Selbstdisziplin und Großmut...

Der Sonntag ist der heilige Abend und dort hat das Beisammensein seinen Platz, da will ich nichts mehr einpacken. Wir gehen zum Gottesdienst, spielen zusammen, schauen vielleicht einen total schnulzigen und rührseligen Weihnachtsfilm und feiern den Geburtstag von Jesus.
Geschenke packen wir zum Glück seit vielen Jahren erst am traditionellen Weihnachtsmorgen des ersten Weihnachtsfeiertages aus.

Dabei werde ich dieses Jahr vor Erschöpfung vermutlich einfach auf dem Sofa einschlafen.

In diesem Sinne - ich bin dann mal packen.

Kati 22.12.2017, 12.00

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Kommentare zu diesem Beitrag

4. von Tina

Ich schmunzle eine wenig.

So viel Trubel und pures Leben .... so kenne ich das von Euch.

Alles Liebe und die benötigte Ruhe.

Tina

vom 23.12.2017, 18.48
3. von Tina

Ich schmunzle eine wenig.

So viel Trubel und pures Leben .... so kenne ich das von Euch.

Alles Liebe und die benötigte Ruhe.

Tina

vom 23.12.2017, 13.19
Antwort von Kati:

Vielen Dank! Ich grüß dich ganz herzlich und wünsche dir und deiner Familie eine wunderbare Weihnachtszeit. <3
2. von Abraxa

ich hoffe du hast es geschafft noch ein paar Pakete zu packen? wünsche dir viel Kraft. ich bewundere deine Stärke schon lange *drück*

vom 22.12.2017, 21.45
Antwort von Kati:

Alles fertig! :)
Danke. Ich wünsche dir und deinen Lieben ganz wunderbare ruhige und besinnliche Feiertage.
Ihr habt ja auch ein sehr turbulentes Jahr hinter euch!
Liebe Grüße!
1. von Sandra

Och...wenn sonst nix ist ;o)

Frohe Weihnachten Dir und Deinen Lieben! Und die ein oder andere Sekunde/Stunde/Minute nur für Dich. Oder für Dich und den Mann.

Alles Liebe
Sandra

vom 22.12.2017, 14.13
Antwort von Kati:

Vielen lieben Dank - das wünsche ich dir und deiner Familie auch!
Liebe Grüße!


Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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