als ich noch klein war, da hast du immer gesagt:
"Wenn Oma mal tot ist und ich ganz alt bin, dann komme ich zu dir. Du kümmerst dich dann um mich."Und ich sagte jedesmal:
"Na klar. Aber jetzt bist du ja noch fit!" Dann nicktest du und deine großen Pranken schlossen sich wieder sanft um mich.
Jetzt ist 30 Jahre später, Opa.
Du hast dein Versprechen gebrochen.
Du hast gesagt, du stirbst nicht, bevor ich nicht bereit dafür bin.
Und du bist als erstes gestorben.
Oma wohnt jetzt hier.
Als wir vor fünf Monaten die Entscheidung getroffen haben, sie zum Sterben zu uns zu holen, da war es auch der Tribut an dich, der mir diesen Weg so leicht machte.
Ich glaube nicht, dass du Oma allein lassen wolltest.
Aber du bist eben auch schon 8 Jahre tot.
Also beschloss ich, dass ich nun für sie da sein würde.
Sie lag in den letzten Zügen. Hat sich verabschiedet.
Und ja, ihre letzten Tage sollte sie nicht in diesem tristen Heimzimmer verbringen, in dem sie seit einigen Jahren lebte und seit Ende letzten Jahres nur noch vor sich hinvegetierte.
Eine Begleitung auf den letzten Metern. Absehbar.
Das ist nun vier Monate her und ich weiß inzwischen gar nicht so recht, wer hier mit uns lebt.
Es ist nicht die Oma, die ich von früher kenne.
Es ist auch nicht die Oma, mit der du verheiratet warst.
Der wir beide so viele Schandtaten beichten mussten, die meine Kindheit so bunt gemacht haben.
Ich unterhalte mich manchmal mit ihr über dich, aber es scheint, als hätten wir nicht denselben Menschen gekannt.
Als wäre nur ich da, die dich so abgöttisch geliebt hat.
Sie hat es nicht getan.
Wenn sie über dich spricht, zerreißt es mir mein Herz. Das bist nicht du.
Den Mann, der du für mich warst, den kennt sie nicht.
Es ist gerade schwer für mich.
Ich stelle auch immer wieder fest bzw. habe festgestellt, dass ein Mensch sich verschiedenen Mitmenschen ganz verschieden darstellt. Es ist schwer zu begreifen, so als wenn man von verschiedenen Menschen redet.
Sei nicht traurig!
LG, G.
vom 16.07.2017, 10.19