Ausgewählter Beitrag

Schnitte

Ich habe heute die Funkien geteilt.

Nicht, dass das irgendetwas Besonderes gewesen wäre, das ich an anderen Tagen nicht tue, aber heute hat es mir ein Stück inneren Frieden geschenkt.
Nicht nur ein bisschen, nicht den allgegenwärtigen „Ich bin im Garten und so dankbar für Haus und Natur drumherum und das Wetter ist schön“-Frieden, sondern tiefes Glück. Das, das man spürt, wenn man mit sich und der Welt im Einklang ist. Wenn man geerdet ist. Viele dieser Redewendungen kommen völlig zu Recht aus der Natur.

Ich habe also aus einigen wunderbaren großen starken Pflanzen jeweils 4-6 „neue“ Pflanzen gemacht, wobei das ja gar nicht stimmt. Alles ist eins. Man gräbt den recht dichten und schweren Wurzelballen aus – ich habe das heute gemacht, weil es so viel geregnet hat und schön kühl ist – und lässt sich überraschen.

Es gibt zwei Arten von Pflanzen.

Die, die schon beim Ausgraben auseinanderfallen und bei denen man sich nur noch durch das Gewirr an Wurzeln schütteln muss, bis man ein halbes Dutzend neue Pflanzen in der Hand hält.
Sie sind perfekt. Jede Einzelne. Jede hat reichlich Blätter, schöne Wurzeln und ist an keiner Stelle mehr mit der ursprünglichen Pflanze verbunden.

Und dann gibt es die anderen. Der Wurzelballen ist so fest, so dicht verwachsen, dass selbst große Steine darin festgehalten werden. Das sind die Pflanzen, die ich am liebsten sofort wieder einbuddeln würde. Dort fällt nichts auseinander. Alles ist verbunden, dicke, saftige Rhizome ziehen sich von Pflanzenteil zu Pflanzenteil und es gibt nur eine Möglichkeit, diese Pflanzen zu teilen: Mit einem möglichst scharfen Messer.

Natürlich sieht man, wo sich die einzelnen Pflanzenteile voneinander trennen wollen, und genau dort schneidet man. Das ist für mich nie ein gutes Gefühl. Ist doch auch die Wahrscheinlichkeit, die Pflanze so zu verletzten, dass sie eingeht, sehr viel höher als im ersten Fall.
Und dann täte es mir um all die Jahre leid, die ich die Pflanze schon begleite – vom Samen bis hin zur prächtigen, ausladenden Staude.

Nur, weil so ein Depp wie ich plötzlich auf die Idee kommt, ein fest zusammengewachsenes Gefüge teilen zu wollen und dabei aus Unachtsamkeit einen Teil einfach tötet.

Aber ja, auch das ist Wachstum.
Das Trennen von (auch noch durchbluteten) Lebensadern.

Auf dass jeder einzelne Teil auf sich allein gestellt eine noch größere und noch prächtigere Pflanze werden kann, als es ihm im Verbund jemals möglich gewesen wäre.

Kati 06.06.2020, 20.00

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von Tina

Ich glaub, ich muss grad mal schnell Funkien kaufen...

(Schatten! Wir haben doch soviel Schatten!)

vom 10.06.2020, 15.49
Antwort von Kati:

Unbedingt! :)
1. von Tina

Ich weiß, dass da ganz viel Methaphorik drin stecht, aber: was für wunderschöne Pflanzen sind das denn?! Kannte ich, bewusst, gar nicht. Ich glaub, die brauch ich auch in meinem Garten...

vom 10.06.2020, 11.10
Antwort von Kati:

Ich liebe die so sehr.
Schon seit ich klein bin.
Und wir hatten nie welche, weil... ich weiß gar nicht, warum nicht. "Neumodischer Kram" oder so.

Allein die Farben, die Formen, die Zeichnungen und sie wachsen im Schatten und unter Bäumen und vermehren sich von alleine und man kann sie teilen und sie sind einfach prächtig.

Große, große Funkienliebe!



Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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