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Sieben

Der närrische kleine Tuk hatte Geburtstag.
Und ich merke, dass mit der Zeit die Erinnerungen an die Geburten der Kinder und die Zeiten danach nicht unwichtiger, aber deutlich leiser werden. Natürlich habe ich mich erinnert, wie wir es nicht mehr geschafft haben, die anderen Kinder zur Tagesmutter zu bringen. Natürlich weiß ich noch, wie die Frau von der Anmeldung das alte Ehepaar aus dem Fahrstuhl gezogen hat, damit wir zuerst hochfahren können.
Wie meine Hebamme in lilafarbenen Gummistiefeln und schwarzem Minirock auf uns wartete und unsere übrigen Kinder dem verdatterten Arzt in die Hand drückte, bevor sie ihm die Tür vor der Nase zumachte. Und wie ich gefühlt gerade ein paar wenige Minuten im Kreissaal stand, immer noch verdattert, dass mein Körper bei seiner letzten Geburt all die Arbeit ohne Wehentropf schon ganz alleine zuhause gemacht haben sollte und dann nach Wimpernschlägen nur dieser winzige Brocken in diese Welt plumpste.
Ich weiß auch noch, wie glücklich ich dort, in diesem Moment war. Wie der Mann unsere Hebamme sanft beiseite schob und leise sagte: "Nein. Das ist meine Aufgabe."
Es war ein Moment des absoluten Glücks und des absoluten Friedens. 
Dieser Eine nur, bevor mein Körper seinen Dienst versagte und die folgenden Monate in Schmerz, Depression und Dunkelheit versanken.
Ich habe Fotos gemacht.
Jeden einzelnen Tag.
Damit ich mich trotz allem an seine Entwicklung erinnern würde, obwohl die Tage so verdammt schwarz waren.

All das hat weder seine Bedeutung noch seine Berechtigung - sondern nur seine Lautstärke verloren. 

Laut sind heute nur noch die Erinnerungen an sieben prall gefüllte Jahre mit diesem besonderen Kind.
Erinnerungen an jedes Lachen, jeden Wutanfall, jede Irrung und Wirrung, die wir mit ihm gegangen sind.
Sein Charme, seine rasante Entwicklung, seit er endlich hören kann, seine unfassbar liebenswerte Art.
Unser Nesthäkchen.
Unser letztes Kind.
So viel Liebe.

Kati 08.10.2018, 12.00

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von Tina

Oh Herr Honig...

vom 09.10.2018, 12.32
Antwort von Kati:

<3
1. von FrauWind

7 Jahre schon. Ich fass das kaum. Herzlichen Glückwunsch und viel Kraft für und mit und durch diesen Jüngsten!

vom 08.10.2018, 21.40
Antwort von Kati:

Und an dich erinnere ich mich auch.
Die ganze Nacht über, die ich alleine und in mir ruhend im Wohnzimmer saß und Balladen gehört und voller Zuversicht geatmet habe, habe ich immer wieder an dich gedacht.
An diesen unendlichen Mut und das Vertrauen, das du ins Leben hast.
Ich habe von dir geträumt in der Nacht, bevor ich von dem urvertrauten Gefühl aufwachte, das nur eine reißende Fruchtblase verursachen kann.
Von einem hellleuchtenden blauen Sternenhimmel.
Von deinem Zuspruch.
Und von Mirjam.
Das ist etwas, wovon man nicht schreiben kann, weil es niemand verstehen würde.
Aber auch diese Erinnerungen bleiben mir, so lange ich lebe.
Danke.



Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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