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Stille

Es ist still im Auto. Es ist der einzige Moment des Tages, an dem in meinem Leben wirkliche Stille herrscht. Alle großen Kinder in der Schule, das Kleinste im Kindergarten, der Mann bei der Arbeit. Der Einkauf liegt hinter mir und ich sitze in meinem Auto. Vor mir liegt die Adventsausgabe unserer Kirchenzeitschrift. "Hoffnung braucht Nahrung" schreibt dort unsere Pfarrerin über die Adventszeit und das, was uns die Dinge aushalten lässt. Ich lese mich durch die Texte und beiße ab und an von meinem Brötchen ab, das ich mir gerade gekauft habe. Im Kofferraum liegt der kleine Braunbär, der mal ein Hund werden wollte und dann doch irgendwo falsch abgebogen ist. Er schläft.
Ich kenne meine To-Do-Liste für den Tag. Ich kenne jede Aufgabe, jede Sprosse meines Hamsterrades. Aber dieser Moment gehört mir.
Ich sitze hier und genieße es, die geschäftigen Leute um mich herumeilen zu sehen. In den Supermarkt, aus dem Supermarkt, zur Caritas, auf den Parkplatz, mit dem Hund spazieren, den Kinderwagen schiebend, ein oder mehrere Kinder hinter sich herziehend oder vor sich herscheuchend und in meinem Auto höre ich nichts davon. Die Welt schrumpft auf mich, mein Brötchen und ab und zu ein leises Babyschnarchen des Hundes zusammen. Es geht mir gut.
Fünf Minuten später ist es eiskalt im Auto. Das Brötchen aufgegessen, die Zeitschrift durchgelesen und der Hund aufgewacht. Es geht weiter.
Bis morgen. Morgen früh wird dieser Moment wieder mir gehören. Ich freue mich darauf und halte mich verzweifelt daran fest, während der Tag wieder meinen Namen schreit.
Ja. Hoffnung braucht Nahrung.

Kati 28.11.2016, 11.00

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Sandra

Das ist ein wirklich rührendes Feedback, denkt die Gemeindebriefredakteurin in mir. Und sie hofft leise, das nur ein einziges unserer 3750 Exemplare so gelesen wird...

Ja, Hoffnung braucht Nahrung. Ich suche mir jetzt online eure Zeitschrift...

Alles Liebe
Sandra

vom 29.11.2016, 20.56
Antwort von Kati:

Wenn du nur einen einzigen Menschen erreichst, reicht das. Manchmal sind die Wege, die Worte gehen, unergründlich. Es gibt Worte, die ändern ein ganzes Leben. Von einem Moment auf den anderen. Du bist eine großartige Besetzung für eine Gemeindebriefredakteurin.


Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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