Es sind Sommerferien.
Ich erhole mich langsam von meinem Schwindel von vor drei Wochen und arbeite an der Stressreduktion.
Es ist 7 Uhr morgens.
Die Notfallklingel klingelt. Laut.
Ich falle aus dem Bett und hetze zum Empfänger, um ihn auszuschalten, bevor die Ferienkinder davon wach werden.
T-Shirt an, Hose an, bei Uroma rein.
Mit Lächeln auf dem Gesicht.
Es fällt an vielen Tagen inzwischen schwer, aber das muss außer mir ja niemand wissen.
"Guten Morgen, was kann ich für dich tun?"
- "Weiß ich nicht."Gesicht zur Wand gedreht, mehr ein Krächzen als ein Flüstern.
Augen zu.
Es ist wieder einer dieser Tage.
Vor genau einem Monat hat sie ihren 90. Geburtstag gefeiert.
Seit drei Jahren wartete sie auf diesen Tag, weil mein Vater hoch und heilig versprochen hat, er würde sie dann noch einmal besuchen kommen.
Er kam nicht.
Zwei Tage später wurde sie bettlägrig.
Eine Woche später war der Arzt da.
Höhere Medikamentendosierung, Mobilisierung, Physiotherapie, Ergotherapie, weiß der Kuckuck was noch alles.
Verweigerung auf ganzer Linie.
Verweigerung bei der Körperpflege, Verweigerung bei der Lagerung, passive Aggression.
Jeden Tag ein bisschen weniger.
Eine, zwei, drei, vier Wochen.
Nahrungsverweigerung.
Und dann schließlich: Medikamentenverweigerung.
Unser Hausarzt befragt sie und erklärt ihr die Konsequenzen.
Wir klären die rechtliche Lage, die persönliche, die emotionale.
Freier Wille. Ihre Entscheidung.
Und ja, wir begleiten das..
Hier stehen wir nun und sehen dem Verfall zu.
Im Hinterkopf fragt mich eine müde Stimme, warum ich jetzt aufstehen musste.
Ich straffe die Schultern und lächle.
Wie jeden Morgen.
"Oma, du hast gerade geklingelt. Was können wir denn mal für dich machen?"Schulterzucken.
"Will sterben."
"Ja, ich weiß.", antworte ich.
Sie schweigt.
Wie jeden Tag.