Schach

Der Mann hat vor einigen Wochen begonnen, mit den Kindern Schach zu spielen. Ich habe ein sehr zwiegespaltenes Verhältnis zu diesem Spiel. Ich spiele Schach, seit ich 3 Jahre alt bin. Gegen einen Vater, der hochintelligent, anspruchsvoll, perfektionistisch und hart war.

Ich habe das Spiel geliebt und das Spielen gehasst.

Das Warten auf seinen Zug, das vernichtende Urteil, wenn ich nicht mindestens 5 Züge im Voraus geplant hatte, Taktikbesprechungen, die Fehler, die nie verziehen wurden. Meine Niederlagen waren keine verlorenen Spiele, es waren Demütigungen. Er war immer besser als ich. Und als ich gelernt habe, so zu spielen wie er, damit ich gewinnen konnte, verlor ich jede Freude daran.

Natürlich ist Schach ein logisches Taktikspiel. Aber ich bin kein logischer oder taktischer Mensch. Ich treffe Entscheidungen aus dem Bauch heraus, ich verabscheue langes Nachdenken, ich spiele auch beim Schach für den Lustgewinn und erst in zweiter Linie für den Sieg. Gegen jemanden wie meinen Vater zu spielen bringt mir so viel wie gegen einen Schachcomputer zu spielen. Es langweilt mich zu Tode, wie so viele Dinge, die perfekt sind.

Jetzt ist es so, dass die Kinder mich gebeten haben, an mir üben zu dürfen, seit der Mann mit ihnen spielt. Nach einigem Zögern habe ich dem zugestimmt und sehr schnell meine Liebe zu diesem Spiel wiederentdeckt. Und ich darf das Echo der Begeisterung spüren.

So liefern wir uns wilde Schlachten um Türme, Pferde und Läufer von einer Seite zur anderen, die mitunter auch ohne Sinn und Verstand ablaufen, aber Spaß bringen. Und im Laufe der Wochen geschah etwas Bemerkenswertes: Sie veränderten das Spiel selbständig. Sie fingen an zu taktieren, mich einzuschätzen, Züge im Voraus zu planen und meine Schachzüge vorauszusehen. 

Der große Sohn spielt wie sein Vater nur um den Sieg und bringt mich inzwischen schon ins Schwitzen, wenn ich ihm nur gegenüber sitze. Die Kriegerprinzessin ist eine Chaotin vor dem Herrn, lernt aber inzwischen, wo ich meine Schwachstellen habe und verfolgt diese unerbittlich. Der kleine Sohn ist ein logisches Gehirn durch und durch. Er erfasst jedes meiner Vorhaben mit Leichtigkeit und es ist recht anspruchsvoll, ihn zu besiegen.
Und obwohl die Denkpausen länger werden und das Vorausplanen der eigenen Züge viel umfassender, verlieren wir bei alledem nicht den Kontakt zueinander.

Es wird mit Liebe gespielt und vielleicht ist genau dies der entscheidende Unterschied, den ich nie kennengelernt habe.

Kati 21.02.2019, 12.00| (1/0) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Gedankenchaos

Die Fitness-Sache

Konnte ich vor einem Monat noch kaum laufen, weil das Knie seit Ende Oktober so weh tat und der ganze Rücken verzogen und die Wirbel verdreht waren, habe ich am Montag Woche 3 im Fitnessstudio begonnen. 5 Mal pro Woche je 60 Minuten Laufband und Geräteturnen für die Muskeln. Dazu immer noch Physiotherapie, um die neuen besseren Bewegungsabläufe unter Kontrolle zu erlernen. Und was soll ich sagen? Es läuft. Mein Trainingsbuddy, der 30 Jahre älter ist als ich und ohne zu schnaufen das 4fache meiner Gewichte stemmt, sorgt für den nötigen Wettbewerbsgedanken.
Anonsten hätte ich vor zwei Monaten noch Stein und Bein geschworen, dass ich (ich!) niemals (nie.im.Leben!) in einem Fitnessstudio irgendetwas tun würde. 
Tja. Erstens kommt es anders... 

Das Knie ist inzwischen stabil, wenn auch empfindlich, was ungewohnte Bewegungen oder Anstrengungen angeht. Aber ich schreie nicht mehr fast vor Schmerzen, wenn ich Treppen laufe oder mich drehe.

Und das tiefe schwarze Loch hat endlich einen sichtbaren Rand bekommen.
Geht gerade so, das Leben.

Kati 20.02.2019, 12.00| (2/2) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: out of order

Mirjam

Wie jedes Jahr, wie jeden Tag:
Danke, dass du da warst.

Kati 14.02.2019, 12.00| (2/2) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Vom Leben und Sterben

Lebendige Erinnerungen

Seit ich denken kann, wurde bei meinen Großeltern das gute Geschirr nur zu besonderen Anlässen auf den Tisch gestellt. Das konnte ein großes Familienessen sein, bei dem das Besondere war, dass wir uns nicht zu fünft oder zu mehr in die winzige Küche quetschten, sondern ins auch nicht viel größere Wohnzimmer wanderten, wo der Couchtisch ausgezogen und mit Tischdecken geschmückt wurde.
Oder ein Weihnachts- oder Osteressen.
Zur goldenen Hochzeit stand natürlich das gute Geschirr auf dem Tisch, zur Diamantenen auch. Ansonsten blieb es im Wohnzimmerschrank.
Gemeinsam mit dem guten Besteck und den Kristallgläsern.
Diese Dinge hatten sie sich in jungen Jahren nach der Eheschließung zusammengespart.
18 Teller, Tassen, Suppenteller, Untertassen, Kuchenteller, mehrere Terrinen, Schüsseln in jeder Form und Größe.
Sauciere, Zuckerpott, Butterdose, was man sich nur vorstellen kann.
Ebenso 18 Mal jede Art von Kristallgläsern und Besteck.
Alles nur für gut.
Im Alltag gab es zusammengewürfeltes billiges Geschirr, das hässlicher nicht hätte sein können.

Als Uroma ins Heim kam, bat sie uns - falls wir es haben wollten - Geschirr, Besteck und Kristallgläser zu übernehmen.
Ich hatte besonders die Teller schon immer geliebt.
Dieses feine Porzellan, mit dem ich wohlig warme Erinnerungen an das Zusammensein mit meinen Großeltern verbinde. Liebevoll selbstgekochte Mahlzeiten mit frischen Zutaten waren etwas, das bei mir zuhause nur die Ausnahme war. 

Also übernahm ich es und tauschte mein Alltagsgeschirr dagegen ein.
Als Uroma uns das erste Mal besuchen kam, war sie schockiert, dass sie dort auf ihrem guten, jahrzehntealten Geschirr plötzlich Nutellabrote für einen Dreijährigen wiederfand.
Ich versöhnte sie ein bisschen mit der Welt, indem ich ein mehrgängiges Weihnachtsmenü auf den Tisch (und das Porzellan) brachte und damit meine Sünde ein wenig relativierte.
Wir sprachen trotzdem nie wieder davon.

Bis wir sie zu uns nach Hause holten, damit sie die letzten Monate vor ihrem Tod noch bei uns verbringen konnte.
Da fand sie plötzlich jeden Tag das gute Geschirr und das gute Besteck auf dem Alltagstisch einer nun 9köpfigen Familie wieder.

Und nach einigen Wochen gestand sie mir leise, dass es schön sei, zu erleben, dass wir ihr Geschirr jeden Tag hervorholten und davon aßen.
Sie würde so oft daran denken, dass damit ein Teil von ihr bei uns bleiben würde, wenn sie gehen würde.

Und so ist es auch. 

Jede Mahlzeit.
Jeden Tag.

Kati 04.02.2019, 12.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: Oma mit der Uhr dran



Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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