Es ist manchmal schwer zu erklären, warum man gegen Kaninchenzucht ist, aber trotzdem Nachwuchs bekommt.
Mein Anspruch in der Kaninchenhaltung ist es, eine funktionierende Großgruppe zu erhalten, die aufgrund ihrer guten Sozialisierung auch Sonderlinge mitträgt.
Wir übernehmen immer wieder Tiere von anderen Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen nicht mehr kümmern können oder wollen und oft stammen diese Tiere aus Zoohandlungen, sind zu früh von der Mutter getrennt worden oder haben aufgrund von Einzelhaltung schwere Verhaltensstörungen entwickelt, die es kaum noch möglich machen, sie in eine Gruppe zu integrieren. Eine Vergesellschaftung ist für alle beteiligten Tiere großer Stress. Wenn ein Sonderling in die Gruppe kommt, der einfachste soziale Verhaltensweisen wie Unterwerfung nicht kennt, kann das bei diesen Tieren schnell in ein Blutbad ausarten. Ich muss mir also sehr genau überlegen, wen meine Gruppe mittragen kann.
Das geht auch schon mal schief, natürlich. Wir hatten lange einen kleinen Kastraten dabei, der sich an keine Verhaltensregeln hielt. Immer wieder schlafende Kaninchen biss, sich erst unterwarf und dann fast gleichzeitig angriff, der Beschwichtigungsgesten ignorierte.
Das artet in Stress für alle aus.
Schweren Herzens habe ich dieses Tier wieder aus der Gruppe genommen und zu einem unkastrierten Männchen gesetzt, das wir zeitgleich von jemandem übernommen haben.
Und plötzlich funktionierte die Gruppe wieder einwandfrei. Die Harmonie war wiederhergestellt, die Tiere kamen abends wieder gerne in den Stall, weil sie keine Angst mehr haben mussten, dass der fiese Kleine wieder schlafende Kaninchen beißt. Wir können also auch unter besten Voraussetzungen nicht alle Verhaltensstörungen abfangen. Das entsprechende Tier sitzt nun in einer harmonischen Zweier-WG mit diesem anderen Männchen und hat seine Marotten abgelegt. Vielleicht können wir in der Zukunft noch einmal über einen Versuch in der Großgruppe nachdenken.
In einem weiteren Stall sitzt ein Angorahase, den wir im Sommer übernommen haben. Einzelhaltung, schlechter Zustand, keine Sozialisation. Er ist nun kastriert und soweit hochgepäppelt, dass wir die Zusammenführung mit der Gruppe planen können.
Der Großteil dieser Gruppe muss allerdings zwingend aus vernünftig sozialisierten Kaninchen bestehen, die es verkraften, wenn einer die Regeln eben nicht kennt, sich aber bemüht. Ich brauche verständige Tiere, die mit Geduld und Langmut ertragen können, wenn ein paar Andere aus der Reihe tanzen. Eine solche Gruppe kann nicht jedes Jahr neu zusammengewürfelt werden, sondern muss wachsen.Wenn eine Generation so alt ist, dass die verbleibende Zeit absehbar ist, dann muss das Fortbestehen mit sozial stabilen Tieren trotzdem gesichert sein.
Aus diesem Grund gibt es hier seltene Nachzuchten.
In diesem Fall ist die Mutter ein Tier, das bereits in unserem Stall geboren und in einer funktionierenden Großgruppe sozialisiert wurde, eine zweijährige selbstbewusste Kaninchendame mit Neugierde, vielen diplomatischen Fähigkeiten und guten Genen - der Vater ein geduldiger und etwas dusseliger Rammler, der das Herz auf dem rechten Fleck hat.
Die beiden Milchkekse, die gestern Nacht geboren wurden, dürfen bei uns aufwachsen und tragen dazu bei, dass die Gruppe tragfähig und belastbar bleibt.
Und ich freue mich unendlich, gleich zwei so wunderbare Babys mit derart guten Erbanlagen vom Leben geschenkt bekommen zu haben.