Abnabelung
Ich bin nicht gut in dieser Abnabelungssache der Kinder. Ich vertraue der Welt zu wenig und die Angst flüstert ihnen anscheinend auch, selbst wenn es dafür vielleicht objektiv gesehen überhaupt keinen Grund gibt. Momentan ist es schwer, die Dinge einfach durch mich hindurchfließen zu lassen. Aber wer bin ich denn, dass ich Kritik üben würde, zu Zeiten, in denen man sich selber ausprobieren muss, in denen man dringend notwendige Fehler machen muss, weil sie nur zu diesen Zeiten machbar sind? Nur weil ich es besser weiß? Weil ich gegen dieselben Wände angerannt bin? Und was hätte mich aufgehalten? Nichts, ich weiß das wohl. Auch mit der Erfahrung drei weiterer Lebensjahrzehnte kann ich mich nicht hinstellen und den Finger heben, weil die Beziehung zu ihnen immer wichtiger sein wird als der vermeintliche Schutz, den ich ihnen damit angedeihen lassen wollte. Denn wieviel sind ungemachte Fehler wert? Nichts. Man fühlt den Schmerz nicht und man lernt nicht nachhaltig genug aus den Erfahrungen anderer. Das Leben kann nicht theoretisch gelebt werden.
Und so stehe ich hier und sehe wissend zu, wie der härteste Lehrer die Bühne betritt.
Wenn ich hoffen darf, ihnen auch nur irgendetwas mitgegeben zu haben, dann bete ich, dass es die Sicherheit ist, dass man nichts bereuen sollte, was man jemals nach bestem Wissen und Gewissen entschieden hat. Dass man eher Dinge bereut, die man nicht getan hat. Dass überraschende Chancen die Einladungen des Lebens sind, die man ohne Zögern mitnehmen sollte. Dass alles seine Zeit hat. Dass diese Zeit kommen wird. Und dass am Ende alles gut wird.
Desillusioniert
Vor einem Jahr war da dieses kleine Häuschen, das mich so anlachte. Perfekte Umgebung, direkt am Wald, Garten, zwar renovierungsbedürftig, aber ich dachte, da könne man ja ein gemeinsames Projekt draus machen, Geld würde schließlich zumindest temporär keine Rolle mehr spielen. Und weil das Leben eine ziemliche Schlampe in Bezug auf Träume ist, erfuhr ich in genau diesen Tagen, dass ich von etwas ausging, für das ich gar nicht eingeplant war. Menschen sind hedonistische Opportunisten und das Erbe meines Vaters hat mir das so nachhaltig vor Augen geführt wie es kein anderes Ereignis hätte tun können. Ich war nicht mehr Kati, ich war Plan B. Ich möchte für Menschen in meinem Leben allerdings nur Plan A sein. Ob mit oder ohne Geld. Ich weiß erst heute, wie utopisch dieser Wunsch war.
Worte
Wenn jede Diskussionen nurmehr in Schmerz und Hoffnungslosigkeit endet, dann verliert man seine Worte. Auch im Schreiben. Und obgleich das Schreiben mich in erster Linie im Oben hält, verbindet es mich mit all meinen unteren Ebenen, während sich Buchstaben zu Gefühl fügen. Ich versuche seit Wochen, den Wechsel zu erzwingen. Seit Tagen laufe ich mir die Seele aus dem Leib. Hoffe, wenn das Herz stolpert, wenn die Lunge keucht, wenn meine alten Programme aktiviert werden, kommt die Ablöse. Sie kommt nicht. Früher, ganz ganz früher dachte ich mal, dass man bei zu viel Schmerz ohnmächtig wird und der Körper dann automatisch abschaltet. Ich sollte schnell und nachhaltig lernen, wie viel ein Geist und eine Seele ertragen können, bevor der Körper aufgibt. Viel zu viel. Ohnmacht ist keine ernsthafte Handlungsoption. Sie kommt erst, wenn die Scherben schon auf dem Boden liegen. Manchmal kommt sie gar nicht. Und was bleibt, ist Hilflosigkeit gegenüber dem ersten und letzten Verräter meines Lebens: Dem Tod. Ich weiß nicht, ob er mich erst haben will, wenn ich ihn nicht mehr begehre oder ob er einfach gleichgültig gegenüber allen Dingen ist, wie es das Universum an sich mit uns auch hält. Worte. Ich wollte etwas über meine verlorenen Worte schreiben. Die Worte und Wörter, die ich erst wieder finden muss, weil sie im Alltag im Nichts verhallen. In der Verständnislosigkeit, die so allumfassend ist, dass ich kein Echo mehr fühle. Nicht in mir, nicht in meinem Gegenüber. Ich kann seit Monaten meine Akkus nicht mehr laden, weil ich keine Sekunde, keine Minute des Tages hier allein sein darf. Es ist nicht mehr vorgesehen, dass ich zur Ruhe komme. Und darum ziehen die Schultern nach oben, der Kopf geht in Deckung, ich kann nicht mehr schwindelfrei liegen, stehen, laufen, ich bestehe nur noch aus Schmerz, Angst und Verzweiflung. Ungesehen. Unverstanden.