Blogeinträge (themensortiert)

Thema: out of order

Schockstarre

Es ist jetzt bald drei Wochen her, dass ich den Schwangerschaftstest gefunden habe und das Unheil seinen Lauf nahm. Drei Wochen, seit wir im Dunkeln zu Dritt im Wohnzimmer gesessen haben und Stück für Stück die Wahrheit aus dem Kind herausbrach. Nicht nur die Wahrheit in Bezug auf den Schwangerschaftstest. Auch die Dinge, die vor vielen Monaten ihren Anfang nahmen. Drei Wochen, seit ich am liebsten den Kopf in den Sand gesteckt hätte um nichts mehr sehen, hören oder fühlen zu müssen. Ich habe mein Sportprogramm einfach beendet. Nichts mehr getan. Sitze den ganzen Tag herum obwohl ich weiß, dass das Gift für meine Bandscheiben ist. Starre vor mich hin und überlege, was ich tun kann. Was ich falsch gemacht habe. Mache kaum noch etwas in Haus oder Garten, spüre mich selbst nicht mehr. Esse die falschen Dinge und tue Sachen, die mir nicht gut tun. Das Wissen um all dies sorgt für Selbstvorwürfe und die wiederum führen zu massiven Muskelverspannungen und Schmerzen. Ich steuere auf den nächtsten Totalausfall zu. Langsam aber sicher. Und das will ich nicht. Nicht noch einmal, nicht sehenden Auges. Ich muss mich um mich selber kümmern. Es ist egal, wie sie sich entscheidet. Es ist egal, wie es weitergeht. Ich muss dafür sorgen, dass es mir gutgeht.
Es ist an der Zeit, langsam wieder die Zügel in die Hand zu nehmen und weiterzumachen.

Kati 10.08.2018, 15.00 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Ein Lebewohl auf Vorstandsebene

Die letzten Nächte waren schlecht, die Tage nicht besser. Die Schritte aus dem Gebäude - der Abschied - die letzten Worte - die waren leicht. Beschwingt. Schwerelos, fast. Ich habe alle meine Posten geräumt, meinem Nachfolger alles Gute gewünscht und alle Aktenordner voll mit Unterlagen einfach dagelassen. Gezweifelt habe ich an der Richtigkeit dieser Entscheidung im letzten Herbst nie, nur die Gedanken an die letzte Zusammenkunft, die ich heute leiten muste, waren schwer. Jetzt ist alles Schall und Rauch. Und das fühlt sich gut an.

Kati 15.06.2018, 17.00 | (0/0) Kommentare | PL

Alltag, eine Art von...

Seit drei Wochen ohne starke Schmerzmittel.
Seit zwei Wochen fahre ich jeden Tag 2 x 4 km Auto - das sind 2 Mal ca. 5-10 Minuten Autofahrt.

Die Präsenz im Alltag nimmt zu und mein Körper kommt mit.
Nicht immer ohne Murren, aber doch stabil.
Überlastungen versuche ich zu vermeiden, ich sitze brav, aber dennoch zu selten unter meiner Heizdecke für die Schultern, ich mache jeden Tag meine Übungen, ich achte auf mich.

Die Tage um Weihnachten und Silvester waren anstrengend. Die Kinder sprudeln über und die Tage sind dicht und eng und voll. Ich bin froh, dass sie vorbei sind und der Alltag wieder einziehen darf.

Das Jahr wird anstrengend.
Es stehen uns einige Veränderungen ins Haus - wir steuern auf eine sehr eindeutige Autismus-Diagnose des zweiten Zusatzkindes hin und wahrscheinlich werden wir uns mit dem Thema Wohngruppe auseinandersetzen.
Die Kraft, die diese Familie aufbringen kann, um das massive Fehlverhalten von zwei Kindern zu kompensieren, ist erschöpft.

Wir sind heute nach langer Pause das erste Mal wieder bei der Supervision. Nach Uromas Tod und meinem Zusammenbruch war an die Fahrt und das Sitzen dort lange nicht zu denken. Auch heute habe ich Angst davor, so lange im Auto zu sitzen. Ich weiß nicht, wie die Bandscheibe darauf reagiert.
Ich strukturiere den Alltag so um, dass ich damit zurechtkomme.
Ich merke, dass meine Reserven nicht mehr vorhanden sind - es wurde so gut wie jedes Fünkchen Wollen und Können im Kampf gegen die Schmerzen aufgebraucht.

Also schaue ich auf die kleinen Dinge, die so existenziell wichtig geworden sind.

Ich kann seit letzter Woche nach über einem halben Jahr wieder schmerzfrei auf der Seite schlafen - meiner Lieblingsschlafposition.
Ich kann manchmal für einige kostbare Momente wieder im Arm des Mannes liegen.
Ich kann den Kopf wieder drehen - in jede Richtung, die ich will.
Ich kann sitzen. Durchaus auch schon wieder eine halbe Stunde am Stück.

Für den Moment ist das alles, was zählt.

Immer nur einen Schritt vor den anderen...

Kati 03.01.2018, 07.00 | (2/0) Kommentare (RSS) | PL

Begegnungen

"Huch.", sagt sie, nachdem wir uns begrüßt haben und sie an mir heruntersieht.
Ich bin komplett in dicke Winterkleidung gehüllt - insgesamt vier Schichten und sehe aus wie ein gigantischer schwarzer Marshmallow.
"Du bist so wenig geworden."


Ich blicke sie verblüfft an.
Niemand außer dem Mann hat die 20 Kilo Gewichtsabnahme bemerkt.
Niemand.

Ich hatte alle meine Bankgeschäfte erledigt und wollte gerade wieder den längeren Weg nach Hause im Nieselregen antreten, als ich ihr begegne. Was auf ihre nüchterne Feststellung folgt, sind 30 Minuten reines Seelengespräch.
Sie ist nervlich zusammengeklappt und stellt gerade ihr gesamtes Leben um und schmunzelt, als ich ihr von meinem Bandscheibenvorfall und meiner Arbeit am Gesundwerden erzähle. "Ausgerechnet du.", sagt sie nur trocken und ich weiß so gut, was sie damit meint. Mein Alltag war so minutiös durchgeplant, so voll, so komplex, dass den meisten Menschen schwindelig wurde, wenn sie davon mal einen Ausschnitt miterleben durften. Und sie kennt mich seit nun fünf Jahren nur so. Immer noch ein Projekt, immer noch mehr, immer perfekt, immer alles im Griff, immer...immer...immer...

Mein Leben der letzten Jahre auf den Punkt gebracht.
Und nun stehe ich da mit ihr im Regen und sie fragt ungläubig, wie ich es seit drei Monaten ohne Auto aushalten würde. Sehr schlecht, grinse ich schief. Jeder, der mich kennt, weiß, wie sehr ich das Autofahren liebe. Und wie mein Mann das verkraften würde?  "Was denn?", frage ich zurück. Die Arbeit im Haus, Garten, den Tieren, dem Haushalt, den Ehrenämtern und mit den Kindern und die ganze Organisation und den Vollzeitjob und alles, was er sonst noch übernehmen musste? Nein, lächelt sie, sie meine, wie gut er mich seit drei Monaten in diesem Zustand ertragen könne...

Ich denke den gesamten Rückweg über das Gespräch nach.
Es hat mir gut getan.
Ich mag es, wenn Menschen kein Blatt vor den Mund nehmen.
Und ich mag sie, auch wenn wir eine schwierige Vergangenheit haben.
"Die Arbeit mit dir war einfach nur grässlich.", sagte sie mir irgendwann einmal und ich weiß das
Ich bin kein Teamplayer, das war ich nie. Meine Stärken liegen woanders.

Als wir uns verabschieden, umarmen wir uns kurz, aber innig.
Wir wünschen uns frohe Weihnachtsfeiertage und jede der anderen einen guten Weg für das, was wir gerade mit uns herumtragen.

"Ich weiß, dass du das schaffst. Auch ohne OP. Du bist ein Mensch, der schon aus reinem Trotz wieder ganz gesund wird, weil er sich selbst beweisen muss, dass er das kann.", sind ihre letzten Worte an mich und ich drehe mich nachdenklich um und gehe zum Fluss hinunter, meinen Heimweg antreten...

Kati 21.12.2017, 12.00 | (0/0) Kommentare | PL

Bergauf

Die Bässe von "Black Betty" hämmern in meinen Ohren, als ich meinen Körper unerbittlich den Berg hinauftreibe. Es tut weh. Alles. Die Beinmuskeln schmerzen unerträglich, aber die Nerven sind ruhig. Ich werde härter. Überall. Das Fett schmilzt in der selben Intensität wie sich alles an mir verhärtet. Nicht nur Muskeln, auch mein Wille. Es ist der unbändige Wille, nicht in diesem Zustand zu verharren. Weiterzugehen. Nicht in Aufopferung und Selbstverleugnung meine eigenen Grenzen übertreten, sondern sie ausdehnen. Nicht weil ich muss, sondern weil ich will. Aber nicht mehr für andere. Sondern nur noch für mich.

Es ist viel auf der Strecke geblieben seit ich Ende September zusammengeklappt bin. Seit ich laut weinend in der Küche saß und den Mann anschrie, dass ich dieses Leben nicht mehr ertragen kann. So gut wie alle Bekannte sind aus meinem Blickfeld verschwunden. Ich habe über 800 Kontakte in meinem Handy und ich kann an drei Fingern abzählen, wem es nicht einfach nur scheißegal war, dass ich zusammenbreche. Das ist hart. Sehr. 

Ich habe die Einladung des Bürgermeisters immer noch im Regal an der Treppe liegen. Es war mir wichtig, als sie vor einigen Wochen gekommen ist. Heute nicht mehr. Vielleicht hatte es nie Relevanz und ich erkenne dies alles erst jetzt, wo ich gesundheitlich und nervlich mit dem Rücken zur Wand stehe.

Die Frau, mit der ich die letzten Jahre so eng zusammengearbeitet habe und zu der ich eine persönliche Beziehung aufgebaut habe, wie ich sie mir für mein Erwachsenenleben gewünscht hatte, ist einfach weg. Die vielen hundert Stunden, die wir zusammengesessen haben und Berufliches wie Privates geteilt haben, bildeten anscheinend in genau dem Moment keine Grundlage für eine Beziehung mehr, in dem ich kommunizierte, dass ich für den Arbeitsteil leider nicht mehr zur Verfügung stehe.
Es ist bitter, dass gerade dies so zuende ging. Es sticht.

Aus dem dauerlächelnden Wesen der letzten Jahre ist etwas anderes geworden.
Und ich mag es.

Kati 19.12.2017, 12.00 | (0/0) Kommentare | PL

Hängepartie

Ich habe jetzt einfach keine Lust mehr.

Kati 10.12.2017, 15.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL

Zart

Heute Nacht habe ich das erste Mal seit 9 Wochen meinen Kopf für einige Sekunden auf die linke Seite drehen können, ohne vor Schmerzen halb ohnmächtig zu werden.
Der Arm wurde zwar sofort taub , aber der Schmerz blieb aus.
Es verändert sich.
Die ausgetretene Gallertmasse der Bandscheibe drückt nach wie vor auf den Nervenstrang links und das Rückenmark, aber das Dauerfeuer an Nervenschmerzen, das bislang meine Tage bestimmte, wird schwächer.

Seit letzter Woche nutze ich ausschließlich die retard-Version der Opioide, seit drei Tagen lasse ich ein weiteres Schmerzmedikament weg.
Langsam, ganz langsam geht es bergauf.

Das neue Körpergefühl ist noch sehr zerbrechlich.
Eine falsche Bewegung und ich hänge für Stunden mit stechenden Nervenschmerzen in den Seilen.

Der Mann schmeißt den gesamten Alltag und ich konzentriere mich auf das, was mir gut tut.
Vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben ohne zu versuchen, die Erwartungen anderer Menschen zu erfüllen.

Kati 05.12.2017, 15.00 | (0/0) Kommentare | PL

Schilde

Wie immer , wenn meine Eltern Kontakt aufnehmen, geht es darum, so viel wie möglich zu vernichten.
Mit maximalem Kollateralschaden.
Dafür leben sie, davon zehren sie.

Die jüngsten Kontaktaufnahmen beantwortete der beste Anwalt dieser Welt: unserer.
Vorgestern wieder ein weiterer Versuch und ich merke, wie ruhig ich inzwischen dabei bleiben kann. Der Mann ist mein Schild gegen die beiden Soziopathen. Und unser rechtlicher Schild ist unser Anwalt.

Es hat viele Jahrzehnte gedauert, bis ich mich von der Angst nicht mehr steuern lasse. Zu viel ist vorgefallen, als dass mein Überlebensinstinkt nicht reagieren würde - in meiner Kindheit war das ein bitter nötiger Reflex, um mich zu retten - doch er löst nur noch selten kopflose Panik aus.

Trotzdem bin ich froh, wenn diese Sache hier ausgestanden ist und auch die allerletzte Verbindung zu meinen Eltern gekappt ist.

Kati 02.12.2017, 15.00 | (0/0) Kommentare | PL

Außer Betrieb [Der Techniker ist informiert]

Meine neue Kernkompetenz besteht darin, nicht mehr belastbar zu sein.

Die Verantwortung und Mentallast, die ich nun so viele Jahre immer aufrecht getragen habe, erdrückt mich nun.
Ich bin auf Hilfe von außen angewiesen, weil Körper und Geist diesem Umfang an Verantwortung völlig den Dienst verweigern.
Möglich macht es der einzige Mensch, in dessen Nähe ich entspanne.
Der Mann.
Und ich habe beim besten Willen keine Ahnung, wie ich ihm das je danken kann.
Es macht mich sprach- und fassungslos vor Dankbarkeit und Liebe, was er gerade für Kopfstände macht, um mir genau diese Verantwortung vollumfänglich abzunehmen.

Ich bin am Tiefpunkt meines Lebens und am Ende jeglicher Belastbarkeit angelangt und da ist jemand, der mich auffängt.
Hält.
Einfach nur, weil er mich liebt.

Kati 01.12.2017, 15.00 | (3/0) Kommentare (RSS) | PL

Puderzuckerwelt [Winter is coming]

Das Wetter hätte mir heute kein schöneres Geschenk machen können als dieses:

Der Mann verließ das Haus und es fing an zu schneien.
Nicht nur ein bisschen, sondern riesengroße weiche Schneeflocken, die vom Himmel schwebten und die Dunkelheit in jene gespenstische Helligkeit tauchten, wie nur Schnee es vermag.

Die Kinder waren außer Rand und Band und wir verließen alle deutlich früher das Haus als sonst, nur um nach draußen zu kommen.
Mit den beiden Kleinen rollte ich auf dem Weg zur Schule eine riesige Schneekugel zusammen, die uns als Unterteil des ersten Schneemanns dieses Winters diente.

Leicht war der erste Gang im Alltag - und schön.

Nach Physiotherapie und einem Minimum an Haushalt und Adventskalender vorbereiten ist die Kraft schon wieder erschöpft und Körper und Geist müde.

So müde.

Kati 30.11.2017, 15.00 | (0/0) Kommentare | PL



Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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