Blogeinträge (themensortiert)

Thema: Alltag

Adventskalendertürchen Nr. 7

Nr. 7 - Finanzen

Dieses Jahr war eine unserer verlustreicheren Phasen.

Durch den überraschenden Weggang der großen Tochter mussten wir nicht nur den vierstelligen Berg Ausgaben, den sie kurz vorher verursacht hat, sondern von einem auf den anderen Tag plötzlich durch fehlende Zuschläge in Gehalt, Baufinanzierung, etc. monatlich einen Verlust von 1.000 Euro auffangen. Durch das Anmieten der Zweitwohnung und Bereitstellen diverser Dinge für das große Zusatzkind verlieren wir monatlich noch mal einige hundert Euro.

Das hat weh getan. Und tut es noch. Sehr.

Zusätzlich schwebte über meinen Gedanken monatelang das Damoklesschwert, dass ich mit all meinen psychischen und physischen Problemen gezwungen sein würde, zusätzlich noch extern arbeiten zu gehen. Das hat mich dieses Jahr gleich mehrfach in ein tiefes dunkles Loch geschubst.

Und ich bin gerade deswegen unglaublich dankbar, für das, was wir haben. Das alles bringt uns nicht an den Rand unserer Existenz. Wir haben noch Luft nach unten und auch wenn wir unseren Lebensstandard drastisch reduzieren mussten - es geht.
Wir sitzen in unserer Burg, wir haben einen Garten und Tiere und Kinder und wenn etwas unreparabel kaputt ist, ersetzen wir es.
Damit sind wir reicher als viele andere Menschen.
Das ist bei aller positiver Betrachtungsweise ein zweischneidiges Schwert und ich entscheide mich sehr bewusst für die Seite, die mir weniger Kummer bereitet.

Die Dankbarkeit für das, was bleibt.
Es kommen auch wieder andere Zeiten.

Kati 07.12.2019, 06.00 | (0/0) Kommentare | PL

Adventskalendertürchen Nr. 6

Nr. 6 - Christus, der lustige große Mann aus dem Handy

Der große Mann in meinem Handy heißt natürlich nicht Christus, ist aber trotzdem ein großer Mensch mit einem noch großartigeren Sinn für Humor.

Und da er heute Geburtstag hat, ist das heutige Türchen natürlich auch ihm gewidmet.
(Und Christus heißt er, weil die Kinder sich Namen anscheinend grundsätzlich nicht richtig merken können.)

Wie das im Internet so ist, gibt es Menschen, die einfach mehr in einem berühren als Andere. Und als wir uns letztes Jahr kennenlernten, war er genau so ein Mensch.

Seit diesem Jahr haben wir unseren Kontakt auf die private Ebene verlagert und das ist das Beste, das mir passieren konnte. Ich habe einen Begleiter im Alltag dazugewonnen, der mir quasi Bruder und Freund gleichermaßen geworden ist.
Wir leben in so unterschiedlichen Welten und kommen doch immer wieder auf einen gemeinsamen Nenner.
Ich bewundere ihn sehr für sein breit gefächertes Wissen und hole mir gerne Ratschläge von ihm ab - egal, ob es nun um Pflanzen oder ums Kochen oder was ganz anderes geht.

Ich bin dankbar, einen so liebevollen, zugewandten, sanftmütigen und wunderbaren Menschen in meinem Leben zu haben!

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! 

Mögest du gesegnet sein
mit Wärme in deinem Zuhause,
Liebe in deinem Herzen,
Frieden in deiner Seele
und Freude in deinem Leben.

Es ist so schön, dass es dich gibt!

Kati 06.12.2019, 06.00 | (0/0) Kommentare | PL

Adventskalendertürchen Nr. 5

Nr. 5 - Dad 

Ich bin auch in diesem Jahr unglaublich dankbar dafür, mit meinem Vater wieder Kontakt zu haben. Das ist seltsam, denn ich lerne den übermächtigen Mann aus meiner Kindheit anders und ganz neu kennen. Wir stehen in regem Kontakt, ich erfahre Neuigkeiten aus seiner Welt in Schweden und er aus meiner hier. Er ist interessiert, schickt den Kindern und mir Geschenke und ich bekomme Fotos von den Elchen in seinem Garten, wir tauschen uns übers Kochen, übers Gärtnern und viele andere Dinge aus.

Nichts davon wäre ohne den frühen Tod meiner Mutter möglich gewesen. Ich freue mich über jede Nachricht, auch wenn mein eingerostetes Schwedisch mich manchmal stolpern lässt. 

Er hat uns unlängst eingeladen, ganz vielleicht mal im Sommer bei ihm vorbeizuschauen und ich weiß, dass wir gegen den Krebs und gegen die Zeit rennen, aber ich werde nichts übers Knie brechen.
Was sein wird, wird sein.

Momentan ist diese zarte Beziehung zu ihm ein Geschenk, das ich manchmal kaum zu berühren wage, aus Angst, dass ich träume und es sich beim leisesten Windhauch in Luft auflösen könnte. Aber ich glaube daran, dass es das nicht tun wird und vielleicht ist das etwas, wofür ich ihm am dankbarsten bin: Dass ich jetzt - mit 41 - noch einen Vater bekomme.

Kati 05.12.2019, 06.00 | (0/0) Kommentare | PL

Adventskalendertürchen Nr. 4

Nr. 4 - Die Frau mit Facetten

Jetzt erschrickt sie vermutlich erst einmal beim Lesen, aber das ist in Ordnung. Ich bin dieses Jahr für zwei Menschen in meinem Leben besonders dankbar und einer davon ist die Frau mit Facetten.

Wir kennen uns seit fast 15 Jahren (!) aus dem Internet und trotz zahlreicher Blogumzüge haben wir uns nie aus den Augen verloren. Ich habe damals nur 30 Kilometer von ihr entfernt gewohnt und schon damals hatte ich das Gefühl - das ist was! Inzwischen wohne ich 300 Kilometer von ihr entfernt und wünschte, ich hätte damals schon den Mut besessen, sie zu treffen.
Aber alles kommt zu seiner Zeit...
Und so schrieb sie mir Anfang des Jahres irgendwann den Vorschlag zu einem Treffen Ende September. September - das war noch verdammt lange hin und dementsprechend leichtfertig sagte ich zu. Würde schon schiefgehen, irgendwie... 

Was dann allerdings passierte, ist besser, als ich mit Worten ausdrücken kann. WhatsApp sei Dank hatte ich plötzlich eine Freundin im Alltag dazugewonnen. Warum haben wir das nicht vorher gemacht? Als ob 15 Jahre gegenseitige Sympathie auf der Lauer gelegen hätten, um dieses Jahr zu sagen: So. Jetzt machen wir mal was Ordentliches damit!
Als Freundin, Ratgeber, Herzausschütt-Person und Vorbild möchte ich sie nicht mehr missen.

Und als wir uns dann getroffen haben, widerfuhr mir weder der erwartete emotionale Meteoriteneinschlag noch irgendetwas ganz schrecklich Furchtbares, sondern es war, als wäre es nie anders gewesen und als würde diese wunderbare große schöne Frau jede Woche mit mir in meinem Esszimmer sitzen und mit mir Gespräche führen.
Das ist dieses Jahr ein unglaubliches Geschenk gewesen. Zu wissen, da ist jemand, der einfach da ist. Für mich, mit mir. Der sich mit mir freut, Anteil nimmt, mir im Denken so ähnlich und doch ganz anders ist.

Danke, dass es dich gibt!

Kati 04.12.2019, 06.00 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Adventskalendertürchen Nr. 3

Nr. 3 - Hunde

Da muss ich nicht viel zu schreiben und könnte doch gleichzeitig Bücher mit meinem Glück und meiner Dankbarkeit füllen.

Der kleine Braunbär, der mal ein Hund werden wollte, ist in diesem Jahr in einem Umfang charakterlich gereift, dass ich ihn abwechselnd knuddeln, mit Keksen vollstopfen und anbeten möchte.
Er hat den Sprung vom Junghund zum erwachsenen Hund mit einer Klasse vollzogen, die ihresgleichen sucht. Ich bin so dankbar für diesen Gefährten.

Und als ob das nicht schon völlig ausreichen würde, haben wir in diesem Jahr Zuwachs bekommen. Mein Herz will einfach nur überlaufen vor lauter Glück.
Der kleine Eisbär, der in einer Zeit der Umwälzung zu uns kam, der eigentlich als Traum von mir schon ad acta gelegt wurde, und dann aber als das beste Hochzeitstagsgeschenk aller Zeiten Wirklichkeit wurde.

Der trotteligste kleine Welpe des Universums ist vor 7 Monaten hier eingezogen und stellt seitdem unsere und Ludwigs Welt auf den Kopf. Ich weiß noch nicht genau, was er mal werden möchte, wenn er groß ist - ich hoffe ja immer noch, ein Hund - und es ist alles anders als ich mir das vorgestellt habe, aber ich liebe jeden einzelnen Moment davon.

Zwei solche Begleiter im Leben haben zu dürfen, erfüllt mich nicht nur mit Dankbarkeit sondern auch mit großer Demut. Jeden Tag wieder.

Kati 03.12.2019, 06.00 | (0/0) Kommentare | PL

Adventskalendertürchen Nr. 2

Nr. 2 - Familienleben

Wir haben harte Jahre als Familie hinter uns. Die Aufnahme der Zusatzkinder 2016. Einzug von Uroma 2017, katastrophaler Weggang des großen Kindes 2018, Zweitwohnung für das große Zusatzkind in Ausbildung Anfang 2019. Wir haben einen ziemlichen Streifen mitgemacht. Die drei Kleinen sind durchgeschüttelt und gerüttelt worden, aber auch wir als Erwachsene waren oft kurz davor, einfach alles hinwerfen zu wollen.

Seit Anfang diesen Jahres können wir wieder atmen. Das Haus gehört zu großen Teilen wieder uns, es ist nicht mehr alles so eng und beklemmend, die Streitereien sind mit dem Zusatzkind ausgezogen genau wie die ständige Alarmbereitschaft in Bezug auf Suizidversuche oder Angriffe.
Das macht nach den letzten Jahren vor allem eines: frei.

Ich bin wahnsinnig dankbar, dass unser Kern von all den Stürmen unberührt blieb. Wir fünf sind näher zusammengerückt. Nachdem ich Mitte des Jahres aus meiner Trauer um die Flucht der großen Tochter aufgetaucht bin, kann ich endlich wieder klarer auf das blicken, was ich habe: eine ganz wunderbare Familie. Dass sie gerade nicht dazugehören möchte, ist ganz allein ihre Entscheidung, die ich inzwischen akzeptieren kann.

Wir haben viele Regeln in diesem Trauerprozess einfach über Bord geworfen. Unser Umgang miteinander ist sehr viel freier, ehrlicher und lockerer geworden. Ich habe erkannt, dass ich sehr wohl einen großen Teil Verantwortung trage und in anderen Bereichen dafür aber nicht die Schuld, die mich fast erdrückt hätte.

Ich bin dankbar für jeden Tag, den ich mit den Kindern verbringen darf. Und ich glaube, ich bin heute die beste Mutter, die ich je war. Auch wenn das ganz anders ist als ich mir immer vorgestellt habe.

Kati 02.12.2019, 06.00 | (2/1) Kommentare (RSS) | PL

Adventskalendertürchen Nr. 1

Dieses Jahr war so voll, so umwälzend, so anstrengend, dass ich die Adventszeit nutzen möchte, mir zu vergegenwärtigen, wofür ich in diesem Jahr besonders dankbar bin.

Nr. 1 - Körper

Ich bin unglaublich dankbar für meinen derzeitigen Gesundheitszustand.
Mein Körper hat mich in diesem Jahr ganz anders gefordert als in den Jahren zuvor. Es ging nicht um Schadensbegrenzung oder um Symptomlinderung - es ging das erste Mal nach langer Zeit um Aufbauarbeit.

Seit März bin ich im Fitnessstudio und trainiere 3-5 Mal die Woche regelmäßig alle Muskelgruppen. Das Laufen musste ich wegen dem Arthroseknie zwar reduzieren, aber auch hier bin ich fit wie schon lange nicht mehr. Die schwere Entzündung von Ende letzten Jahres ist nach 6 Monaten ausgestanden gewesen. Ein paar Kilometer laufen? Kein Problem.
Mein Körper fühlt sich gut und kräftig an.

Die Lordose der Halswirbelsäule ist durch Training, Orthopädenbesuche und Änderung der Lebensführung komplett verschwunden. Auf dem Niveau kann ich nun endlich die erforderliche Gewichtsreduzierung angehen, die ich dieses Jahr nicht auch noch umsetzen konnte, aber ich übe mich in Nachsicht (ein eigenes Türchen, vermutlich).

Ich bin ärztlich in den besten Händen, habe gute Begleiter, alle Vorsorgeuntersuchungen dieses Jahr absolviert und bin bis auf die chronischen Krankheiten gesund. Ganz allumfassend.

Ich hoffe sehr, dass hier im nächsten Jahr dann auch "schmerzfrei" stehen wird.

Kati 01.12.2019, 06.00 | (0/0) Kommentare | PL

Wissen

Heute ist er wieder da. Ich sehe ihn häufig. Er macht dasselbe wie ich, wenn ich auf dem Supermarktparkplatz stehe. Er sitzt im Auto, spielt am Handy, frühstückt, ruht sich aus. Ein Moment der absoluten Ruhe, wenn draußen das Chaos tobt. Eine Oase, die jeden Tag für einen kurzen Moment verfügbar ist.

Dünn ist er geworden.
Noch dünner.
Eingefallene Wangen, traurige Augen.

Er wird gerade seine drei Kinder in Schule und Kindergarten gebracht haben, so wie jeden Tag. Später wird er zur Arbeit fahren. Wie jeden Tag. Irgendwann nachmittags muss er wieder nach Hause. Die Kinder von der Schwiegermutter abholen, die sich um sie kümmert, wenn Schule und Kindergarten aus sind. Und dann wird zuhause seine Frau auf ihn warten.

Die Depression auch. Die Krankheit. Der Tod seines zweiten Kindes. Ihre psychischen Erkrankungen. Ihre Wut. Ihre Trauer. Ich kenne sie gut und bin froh, dass ich inzwischen keinen Kontakt mehr habe.

Ich habe ihre Tränen gesehen. Und seine Blutergüsse. Ihre unbändige, unkontrollierte Wut. Ein schwarzer destruktiver Strudel aus Dunkelheit und Intensität. Meine Mauern waren zu meinem eigenen Schutz immer ganz oben, wenn ich mit ihr umgehen musste.

Ich warte.
Er sieht mich nicht und blickt sich von Zeit zu Zeit suchend um.
Es vergehen fünf, zehn Minuten.
Und ich warte.
Auf diesen einen Moment, den ich inzwischen schon so oft gesehen habe.

Wenn sein Gesicht sich aufhellt und alle Traurigkeit einem sanften Lächeln weicht, das herzzerreißender nicht sein könnte. Sie öffnet die Beifahrertür und setzt sich neben ihn. Küsst ihn zärtlich auf den Mund. Lange. Streichelt seine Wangen, sein Gesicht. Fährt durch seine Haare. Es ist keine Leidenschaft. 
Nur unendliche Zärtlichkeit und Liebe. Wissen.

Ich gehe einkaufen und als ich wiederkomme und meine Sachen einlade, sitzen sie dort immer noch. Ihr Kopf lehnt an seiner Schulter, während er redet. Sie lächelt. Er auch.

Wie jedes Mal denke ich an meinen Lieblingswunsch: 

"Möge der erste Sonnenstrahl des Tages heute das Auge des traurigsten Menschen treffen, den ich kenne."

Und ich glaube, das tat er.

Kati 24.09.2019, 12.00 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

WMDEDGT - 05. Juli 2019

Heute ist Was macht du eigentlich den ganzen Tag bei Frau Brüllen und da der Tag schon früh morgens das Potential hat, so richtig bescheuert zu werden, mache ich mal mit.

Mein Tag beginnt um 01:22 Uhr - da bekomme ich nämlich eine Nachricht einer befreundeten Mutter, die sich bedanken möchte, dass ich ihren Sohn mit zum Treffpunkt der Klassenfahrt genommen habe. Mein Handy liegt um diese Uhrzeit normalerweise eine Etage tiefer und ist leise - heute allerdings liegt es neben meinem Bett auf Kopfhöhe und ist maximal laut, weil der Sohn zu diesem Zeitpunkt auf der Fähre nach England ist und ich auf Nachricht warte, dass sie drüben angekommen sind.
Ich bin wach, also kann ich ihr auch kurz antworten, leider findet das helle Display ein riesiger Nachtfalter ziemlich geil und fliegt mir mitten ins Gesicht.
Ich kann gerade noch an mich halten, nicht laut loszuschreien (weil - der Mund muss zubleiben!) und versuche, das Ding mit meinem Handy zu erschlagen.
Gelingt auch und ich schnippse es zur Seite, das kann die Schlafzimmerkatze fressen.

Durch die Bewegung und das Adrenalin ist meine Kiefernaht wieder aufgebrochen und blutet mir lustig den Mund voll. Die Schmerzen sagen - hinlegen geht jetzt erst mal nicht mehr. Ich gehe also auf Toilette, werfe meine verschriebenen Schmerzmittel ein und kehre zurück ins Bett, wo ich mich halbsitzend hindrappiere. Der Mann hat von alledem anscheinend nichts mitbekommen.

Um kurz nach 6 Uhr verlässt der Mann das Haus und zieht die Mülltonnen auf die Straße. Das ist laut. wie jeden Freitag.
Über mir ist die Kriegerprinzessin wach und macht anscheinend Kampfyoga mit Gewichten oder übt vielleicht auch einfach martialische Tänze. Wir haben Holzdecken.

Ich schlummere wieder weg und werde 10 Minuten später von der wild fauchenden Schlafzimmerkatze geweckt. Ich reiße die Augen auf und sehe direkt auf eine dicke schwarze Eisbärschnauze. Der kleine Eisbär, der mal ein Hund werden möchte, ist unerlaubt in die Mitteletage geklettert und macht nun Katzenjagd. Ich schimpfe ein bisschen, stehe auf (ohne den Wecker exakt 4 Mal auf Schlummern stellen zu können - der Tag wird also Scheiße) und trage ihn ins Erdgeschoss. Dort pinkelt er mir erst mal auf die Füße.

Mein Kiefer pocht, ich habe Kopfschmerzen, der närrische kleine Tuk springt fröhlich trampelnd die Treppe runter (wir haben Holztreppen...) und erzählt mir erst einmal, dass der kleine Eisbär auch schon im Obergeschoss war. Ich wische die Pfütze weg und schicke die Hunde in den Garten.

Im Medikamentenschrank wühlend überfällt mich das kleine Kind von hinten weinend, es würde jetzt ganz plötzlich ganz schrecklich den großen Bruder vermissen. Trösten, Tabletten runterschlucken, wie ein Mantra wiederholen, dass es doch meistens viel besser ist als damals, als sie noch alle klein waren.
Ich gehe in die Gartenküche und will Frühstück machen. Hundeknurren von der Terasse - die Hunde kämpfen um den Badezimmervorleger, der aus irgendeinem Grund gerade unter dem Kirschbaum zerrissen wird.
Atmen.
Badezimmervorleger aus zwei Hundeschnäuzchen entfernen, weiter gehts mit Frühstück.

Wir haben kein Brot mehr. Warum haben wir kein Brot mehr? Nichts. Nichts zum Aufbacken, zum Auftauen, zum als-Notlösung-essen, nichts.
Atmen.
Kopfschmerztabletten wirken langsam.
Ich setze mich ins Auto und fahre zum Bäcker, hole die leckeren Brötchen, die es sonst nur ausnahmsweise gibt, weil sie so schweineteuer sind.
Wieder zurück begrüßt mich eine neue Pfütze in der Diele und zwei Hunde, die um einen Badezimmervorleger kämpfen (hallo?) und zwei Kinder, die etwas irritiert sind, weil das mit dem Brot noch nie vorkam.

Kinder aus dem Haus schubsen, Tierrunde. Alle Tiere rauslassen, durchzählen, Gesundheitszustand überprüfen und Tierarztliste im Kopf erstellen. Den Welpen aus dem Blumenbeet pflücken. Duschen. Pfütze wegwischen. Restliche Mülltüten aus dem Haus zusammensammeln und mit in die Mülltonnen nehmen, einkaufen fahren.
Auf dem Parkplatz kommt die ersehnte Nachricht vom Sohn, Land in Sicht! Sie legen gerade in Dover an. Das Handy scheint immerhin nicht über die Reling gefallen zu sein. Der kleine Kobold ist in England. Sehr viel inneres Seufzen. Jetzt ist es nur noch eine halbe Stunde bis aufs Universitätsgelände und dann werde ich wohl die nächste Woche nichts mehr von dem Sohn hören. Und das ist auch gut so.
Der Einkauf gleicht eher einem Spießrutenlaufen von Bekanntschaft zu Bekanntschaft - anscheinend haben alle gerade ein überwältigendes Mitteilungsbedürfnis und ich komme da gerade recht. Ich habe heute eindeutig die ganz falsche Einkaufszeit erwischt. Kurzer Informationsabgleich mit einer befreundeten Mutter, deren Kind ebenfalls mit auf Englandfahrt ist. 
Wieder zuhause angekommen schleppe ich meine Beute die Treppe hoch (der Kiefer pocht, das Knie ist meckerig, der Kopf hat auch noch was zu sagen) und blicke über das Gartentor als erstes auf einen Hasen. Einen Hasen, der meine Lieblingsblumen frisst. Ich muss unbedingt herausfinden, wo die geheime Ausbruchsmöglichkeit ist, die anscheinend nur dieses eine Tier kennt. Der Hase verschwindet hinter der nächsten Hecke und ich begrüße die beiden Bärchen, die so tun, als wäre ich vier Tage weggewesen. Mindestens. Ich nehme ihnen den Badezimmervorleger wieder weg und wische eine Pfütze aus der Diele. An mir rennt ein weißer Flauschball mit einer Rolle Panzerklebeband in der Schnute vorbei in den Garten. Ich renne hinterher. Es pocht. Ich schicke den großen Hund mit Befehl, mir entweder den kleinen Hund oder mein Panzerklebeband wiederzubringen in den Garten und lasse mich auf einen Stuhl sinken. Der kleine Braunbär, der mal ein Hund werden wollte, lässt mir die Rolle Klebeband in die Hände fallen und legt seinen schweren Kopf auf meinen Schoß. Empörtes Welpenfiepen im Hintergrund.
Ich erledige das Nötigste im Haushalt, da ruft es von vor dem Haus. Die Postbotin, die Angst vor Treppen und Hunden hat, schreit von draußen, sie traut sich nicht an den Briefkasten (der AUSSEN am Tor hängt). Ich gehe ihr die halbe Treppe entgegen, sie klammert sich ängstlich an das Geländer und wagt den Abstieg. Mein Mitgefühl wird heute von einer gewissen Entnervtheit überlagert und das mag ich an mir selber überhaupt nicht.
Post vom Ordnungsamt, bitte NOCH ein bisschen mehr Geld für den RIESIGEN gefährlichen Hund bezahlen, den ich mir da ins Haus geholt habe. Ich lasse die Hunde im Garten spielen und mache mich an die Buchhaltung. Die nächste Klassenfahrt will auch schon wieder bezahlt werden.
Das Gartentor geht quietschend auf und ich bin schon halb am Fenster mit dem Satz: "ACHTUNG! Die HUNDE!" (unser Paketbote mit Angst vor Hunden hat das heraushängbare Schild letztens übersehen und wurde plötzlich von beiden beschlabbert), aber es war die Kriegerprinzessin, die heute nur drei Stunden hatte, was mir total entfallen war. Fertig mit Schule - nächste Woche geht sie nur noch auf Klassenfahrt und dann sind Sommerferien.
Neben Bürokram bekomme ich Nachrichten von mehreren Eltern, dass sie ihre Kinder nicht erreichen können. Ich bin kurz froh, dass es früher keine Handys gab, aber meine Eltern hätten mir ja eh nicht hinterhertelefoniert. Also wäre es für mich egal gewesen, aber ich fand diejenigen unter uns schon sehr peinlich, die mit 18 auf Studienfahrt einmal am Abend aus einer Telefonzelle in der Toskana ihre Eltern anrufen mussten.
Irgendwann entscheide ich mich, mit der Kriegerprinzessin ein wenig Hecke und Bäume zu schneiden und zu häckseln. Der Mann kommt heute auch früh, also können wir endlich mal wieder einen Nachmittag gemeinsam im Garten arbeiten. Den Häcksler aus seinem Versteck gerollt, ich schneide, die Tochter häckselt. Wir holen den Welpen aus dem Verlängerungskabel, in dem er sich heillos verheddert hat.
Der Mann schreibt mir eine Nachricht, dass seine Tochter mal wieder in die Notaufnahme muss und er jetzt nach Hause kommt, um dann mit dem Auto ins Krankenhaus zu fahren. Ade, Gartennachmittag. Wir holen den Welpen wieder aus dem Verlängerungskabel und machen weiter. Ein Hase schießt durch den Garten, ein großer brauner Hund (deutlich langsamer, aber immer noch wahnsinnig schnell) rennt hinterher. Wir bringen die Hunde rein. Als wir einige Hecken und einen ganzen Baum gehäckselt haben, fangen wir Hasen ein und machen die vermutete Ausbruchsstelle noch unpassierbarer. Ich wische Pfützen aus der Diele. Der Mann wird bereits in der Maschinerie der Notaufnahme verwurstet und wandert mit dem ZusatzKind von Station zu Station.

Ich schreibe ein wenig an diesem Blogartikel und denke, das ist ja super Content für einen WMDEDGT-Eintrag, da ploppt im Ticker die Meldung hoch, dass ein Krankenhaus brennt. Genau das Krankenhaus, in dem der Mann sich gerade befindet. Super. So langsam reicht es jetzt für diesen Tag.
Ich schneide noch die Hecke zum Nachbarn, die langsam unseren Garten frisst, bespaße ein wenig das kleine Kind, das sich etwas vernachlässigt fühlt und außerdem den großen Bruder vermisst und falle dann in einen Stuhl.
Der Mann kommt abends nach 5 Stunden Notaufnahme wegen gar nichts (Ach, doch, wegen Drama, Baby!) wieder nach Hause und wirkt leicht ungehalten. Verständlich. Ich koche Abendbrot für die Kinder, danach bringen wir alle Tiere wieder in die dafür vorgesehenen Ställe und füttern sie. Der Garten müsste noch gegossen werden, das lagere ich heute aber auf den Mann aus. Der Kiefer schmerzt ohne Ende und Hinlegen hätte mir heute gut getan. Egal, bald geschafft.
Ich nehme den Hunden noch diverse Kinderschuhe, Dreckwäsche und andere Dinge weg, der Mann wischt weitere Pfützen weg, ich freue mich sehr über eine seltsame Nachricht von meinem Sohn aus England, über einen lieben Menschen, der plötzlich in meinen Telefonkontakten auftaucht und denke noch ein wenig über ein Thema nach, das mich heute Morgen kalt erwischt hat, nicht loslässt und zu dem ich noch so viel zu sagen (schreiben) hätte. Aber nicht mehr heute, heute hat genug wehgetan.

Jetzt gibt es gleich Sofa mit den Lieblingsbärchen und dem Mann, ein wenig Netflix und morgen wird ein besserer Tag.

Kati 05.07.2019, 19.50 | (2/2) Kommentare (RSS) | PL

Diverses

Der Tag beginnt mit einem lange geplanten Zahnarzttermin und das ist für mich ziemlich bescheuert. Dort angekommen ist der Zahnarzt zwar immer noch großartig, entscheidet sich aber in letzter Sekunde, von zwei Baustellen nicht die Geplante zu nehmen, sondern die Andere. Das ist für jemanden, der sich seelisch sehr auf solche Besuche vorbereiten muss, eher ungünstig. Es war dann (wie immer) halb so wild, aber unangenehm und 45 Minuten später war ich wieder draußen.

Die Hand heilt. Langsam, aber beständig. Ich hoffe, ich kann auch die verbleibenden drei Pflaster am Donnerstag abmachen, wenn der kleine Eisbär, der mal ein Hund werden will, abgeholt wird. Die Haut ist noch sehr empfindlich und ich fürchte, ich werde noch einige Wochen mit den Nachwirkungen zu kämpfen haben.
Ich hoffe, dass ich ab morgen endlich wieder ins Fitnessstudio gehen kann, das fiel wegen der Hand jetzt nämlich auch eineinhalb Wochen aus.

Der Hundekeks hat endlich einen Namen, mit dem wir alle einverstanden sind und der für ihn einfach perfekt ist.
Ich freue mich unendlich auf Donnerstag.
Ob der kleine Braunbär, der mal ein Hund werden wollte, das genauso sieht, ist zumindest fraglich, aber ich vertraue auf sein Wesen und seinen Charakter. Und Begeisterung erwarte ich ja auch gar nicht.

Der Mann und ich haben eine Entscheidung getroffen, die genauso unspektakulär wie wichtig ist. Wie immer auf unserer Schaukel, wo ohnehin die besten Entscheidungen getroffen werden können.

Die Hasen-Vergesellschaftung ist nach wie vor ein voller Erfolg. Es bilden sich erste neue Freundschaften und Schwärmereien und das Sozialverhalten von Kaninchen ist etwas, das für mich wohl nie von seiner Faszination verlieren wird. Die ganzen kleinen wie großen Gesten berühren mich zutiefst. Schnuppe und ihr Vater Kasimir, den sie ja bislang nicht kannte, haben sich gesucht und gefunden. Sie machen das Gehege unsicher, verbünden sich gegen andere Kaninchen und streiten sich auch durchaus mal, bis das Fell fliegt. Eine der berührendsten Gesten bei Kaninchen ist die, die der Entschuldigung und dem Waffenstillstand gleichermaßen dient: Beide Kaninchen sitzen voreinander, keines unterwirft sich, sondern die Köpfe sind auf gleicher Höhe. Dann senken beide zeitgleich ihren Kopf und drücken für einen Moment die Stirn aneinander. Wann immer ich einen dieser seltenen Momente miterleben darf, geht mir das Herz auf. Ich liebe diese Tiere einfach.

Während der Hasen-Vergesellschaftung haben wir insgesamt 800 Kilogramm Beton-Estrich angerührt und den Boden des Gesindehauses neu gegossen, während die Hasen auf neutralem Gebiet weilten. Das ganze sehr angeschlagen mit kaputter Hand, aber mit vereinten Kräften und der ganzen Familie geht eben auch das.

Die Familie hat entschieden, dass wir nach dem Einbruch des unbekannten Tieres in das Wachtelgehege noch einmal neu brüten werden. Die verbleibenden Wachteln sind recht einsam und für zwei Eier am Tag lohnt sich die Haltung dann auch nicht. Das Bild der getöteten Tiere verfolgt mich nach wie vor. Es ist schwer für mich, den Verlust von besonders Bernadette zu verarbeiten. Ich habe dieses verrückte Huhn so geschätzt.

Die Party des großen Sohnes war sehr erfolgreich, in einer Woche legen wir eine weitere Party für die Kriegerprinzessin nach.

Danach wird es zum Glück ruhiger und ich kann mich voll und ganz auf den Hundekeks konzentrieren.

Kati 27.05.2019, 18.00 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL



Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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